Mammut-Prozess gegen Ungaren-Zuhälter
Samurai verhöhnt vor Gericht sein Opfer

Es ist der schlimmste Zuhälter-Prozess, den es in der Schweiz je gab: Vor Gericht macht sich Sandor S.* sogar noch lustig über sein Opfer.
Publiziert: 25.08.2010 um 08:54 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:13 Uhr
Von Christian Bischoff und Viktor Dammann

Heute Morgen um 8.30 Uhr klirren die Fussfesseln. Die Polizei führt die vier Hauptangeklagte in den Gerichtssaal. Ein Anwalt bittet den Richter, dass sie wenigstens für die Verhandlung von den Fesseln befreit werden. Doch der winkt ab: Das sei so mit der Polizei abgemacht.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen findet in Zürich der grösste Prozess gegen Zuhälter statt, den die Schweiz je sah. Die Anklageschrift von Staatsanwältin Silvia Steiner ist ein Dokument von unfassbarer Brutalität.

Die vier Männer Männer aus Ungarn sollen laut der Anklage insgesamt 16 Frauen gezwungen haben, auf dem Zürcher Sihlquai-Strich anschaffen zu gehen. Die Frauen seien immer wieder gedemütigt, geprügelt, vergewaltigt, mit Waffen und anderen Gegenständen verletzt, mit Drogen gefügig gemacht und unter enormen psychischen Druck gesetzt worden.

Langes Vorstrafenregister des Hauptangeklagten

Der Hauptangeklagte Sandor S.* (41) sieht heute vor Gericht in Jeans, Hemd und Brille eher aus wie ein älterer Student. Freundlich grüsst er bevor seine Vorstrafen verlesen werden. Doch der schlanke, unscheinbare Mann, den die Polizei «Samurai» nannte, ist ein Schwerverbrecher. Schon mit 17 wurde er in Ungarn erstmals wegen einer Prügelei verurteilt.

Dann folgen Strafen wegen Raub, Zuhälterei, Vergewaltigung, Zigaretten- und Hunde-Schmuggel. Ende 2007 kommt er in die Schweiz, im Juni 2008 wird Sandor verhaftet. Vom Richter befragt nach seinen Plänen für die Zukunft, sagt der Sadist vom Sihlquai: «Ich möchte zurück zu meiner Familie und wieder als Maler arbeiten.»

Angeklagter über Eva: «Diese Frau kann man nicht befriedigen»

Über sein mutmassliches Hauptopfer, die heute 23-jährige ungarische Prostituierte Eva, sagt Sandor: «Diese Frau kann man nicht befriedigen. Wenn ganz Ungarn mit ihr schlafen würde, reichte es ihr nicht.» Der Samurai gesteht vor Gericht nicht alle Anklagepunkte: Er habe nie an ihr eine Abtreibung vorgenommen, behauptet er zum Beispiel.

Andere Anklagepunkte wie Nötigung und teilweise Körperverletzung gibt er hingegen zu. Auch grausamkeiten, wie das Einführen einer Paprika in die Vagina und das gewaltsame Rasieren ihrer Kopfhaare gibt Sandor freimütig zu.

Die Staatanwaltschaft beantragt für Sandor eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und eine Verwahrung. Antal R.* (30) (genannt der Kapitän) soll für 9 Jahre, Jenö K* (41) (genannt Johnny) für 11 Jahre und Ferenc A. (40) (genannt Richi) für 4,5 Jahre hinter Gitter.

Anklageschrift zeigt unvorstellbare Brutalität

Am schlimmsten soll laut der Anklageschrift Samurai gewütet haben: Der Hauptangeklagte habe Eva in Ungarn kennen gelernt, sie mit Schlägen gefügig gemacht und nach Zürich verfrachtet. Zusammen mit anderen Frauen mussten sie auf dem Strassenstrich am Sihlquai anschaffen und ihm zum Teil das ganze Geld abgeben.

Die Anklageschrift beschreibt Samurai als brutalen Sadist: Als Eva, mit der er zusammenlebte, 2008 schwanger wurde, schlug er ihr «systematisch mehrere Tage lang» in den Bauch», bis sie einen Abort erlitt. Zuerst habe er die Frau noch gefragt, «ob es ihr lieber sei, wenn er das Kind ‹heraustrete› oder ‹herauskratze›», wie es in der Anklage heisst.

Stichverletzung selbst zugenäht

Einmal soll der Angeklagte Eva mit einem Messer in den Oberschenkel gestochen und ihr dann die Wunde mit Haushaltsfaden und Nähnadel wieder zugenäht haben, um einen Arztbesuch zu vermeiden. Er habe sie wiederholt vergewaltigt und mit verschiedenen Gegenständen penetriert.

Immer wieder soll Sandor S.verlangt haben, dass Eva ungeschützten Sexualverkehr mit ihren Freiern zuliess. Er setzte sie zudem laut Anklage unter Drogen, drohte ihr mit ätzendem Bleichmittel oder einem Messer die Geschlechtsteile zu verletzen. Mit seinen brutalsten Attacken nahm er immer wieder in Kauf, Eva in Lebengefahr zu bringen. Das sei ihm aber egal gewesen, schreibt die Staatsanwältin – weil ihm auch ihr Tod gleichgültig gewesen wäre.

Die unbeschreiblichen Grausamkeiten von Samurai mussten auch die anderen Frauen erdulden, die er und seine Bande zur Prostitution gezwungen haben sollen. Die jungen Frauen seien gezielt angeworben, hörig gemacht, weiterverkauft und ausgebeutet worden. Mitangeklagt wegen Menschenhandels ist auch eine Frau. Sie ist aber gleichzeitig auch ein mutmassliches Opfer der anderen Angeklagten.

Heute nun stehen die Männer vor ihrem Richter, die Verhandlung ist auf zwei Tage angesetzt.

Blick.ch berichtet weiter über den Verlauf des Prozesses.

* Namen der Redaktion bekannt

Ungaren-Zuhältern im Dok-Film
Das Schweizer Fernsehen zeigte am ersten Juli unter dem Titel «Der Fall Goldfinger» einen Dokumentarfilm über die ungarischen Dirnen vom Zürcher Strassenstrich. Der Film zeigt die Schwierigkeiten der Zürcher Stadtpolizei bei den Ermittlungen im Milieu der ungarischen Roma, aber auch die sozialen Hintergründe, die Armut und die Gewalt, welche die Frauen dazu bringen sich zu prostituieren.
Das Schweizer Fernsehen zeigte am ersten Juli unter dem Titel «Der Fall Goldfinger» einen Dokumentarfilm über die ungarischen Dirnen vom Zürcher Strassenstrich. Der Film zeigt die Schwierigkeiten der Zürcher Stadtpolizei bei den Ermittlungen im Milieu der ungarischen Roma, aber auch die sozialen Hintergründe, die Armut und die Gewalt, welche die Frauen dazu bringen sich zu prostituieren.
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