Ganz am Ende des Prozesses ergreift Enrico F.* nochmals das Wort. Mit starrem Blick schaut er zur Richterin und sagt dann leise: «Was passiert ist, tut mir alles sehr leid.» Es ist der Schlusspunkt der Verhandlung vom Donnerstag am Winterthurer Bezirksgericht. Rund fünf Stunden dauerte der Prozess bis dahin.
Das, was der Angeklagte so bereut, ereignete sich am 13. Mai 2017. Der FC Zürich tingelt gerade durch die Challenge League und gastiert an diesem Samstag zum Derby beim FC Winterthur. Unter den Zuschauern ist auch Enrico F. Er sei aber kein echter Fussball-Fan, sagt er am Donnerstag vor Gericht. «Wenn, dann höchstens vom FC Basel.»
Tat war «verwerflich» und «absolut unsinnig»
Zum Spiel hat sich F. von einem Freund überreden lassen. Genauso wie zu den etwa sechs Bieren, die er im Stadion getrunken haben will. «Ich bin es mir eigentlich nicht gewohnt, so viel Alkohol zu trinken. Aber mir wurde immer wieder ein neues Bier hingehalten», gibt er zu Protokoll. Er könne darum nicht mehr so genau sagen, was sich nach dem Schlusspfiff zugetragen habe. Er habe einen totalen Filmriss.
Die Rekonstruktion der Geschehnisse übernimmt dann die Richterin. Auf Bildern einer Überwachungskamera vom Parkdeck über den Gleisen beim Bahnhof Winterthur sei Enrico F. nämlich zusammen mit einem Kollegen kurz nach dem Spiel zu erkennen. Was an jenem Mai-Abend dann folgte, bezeichnet der Staatsanwalt heute als «verwerflich» und «absolut unsinnig».
Es ist mittlerweile kurz vor 20 Uhr. Unter dem Parkhaus beim Gleis 9 warten zahlreiche FCZ-Anhänger auf ihren Zug. Enrico F. und sein Begleiter pöbeln die Gästefans aus der Distanz an. Dann eskaliert die Situation: F. reisst plötzlich einen zwei Kilo schweren Gitterschachtdeckel aus dem Boden und schleudert diesen hinaus aufs Perron. Dort sackt ein junger Mann zu Boden und bleibt liegen. Der damals 27-jährige Manuel R.* wird von dem Eisendeckel getroffen und schwer verletzt.
Unzurechnungsfähigkeit wegen Alkohol?
Laut Gutachten sei der Treffer beim Opfer vergleichbar mit einem Schlag mit einer Axt. Für die Staatsanwaltschaft besteht daher kein Zweifel, dass Enrico F. den Tod eines Menschen in Kauf genommen habe. Ihre Forderung: Der Beschuldigte soll wegen vorsätzlicher Tötung für neun Jahre in den Knast. Enrico F. und sein Verteidiger hingegen plädieren wegen des exzessiven Alkoholkonsums auf Unzurechnungsfähigkeit.
Entscheidend für das Urteil könnte die Whatsapp-Nachricht werden, die F. unmittelbar nach der Tat an seine Freundin verschickt hatte. «Ich han en Doledeckel uf d Züri-Fans gschosse!», ist in einer ersten Botschaft zu lesen. Und wenig später schrieb er: «Nanig verwütscht worde.» Für die Anklage deutliche Indizien dafür, dass F. ganz genau wusste, was er getan hatte. Das definitive Urteil ist für Freitagmorgen um 11 Uhr angekündigt.