Der mehrtägige Prozess am Bezirksgericht Meilen ZH bezüglich des Tötungsdelikts von Küsnacht ZH ist vorerst beendet. Während die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von bis zu 16 Jahren fordert, hofft die Verteidigung auf ein milderes Urteil mit teilweisem Freispruch. Das Urteil soll Ende Juni folgen.
Was genau am Morgen des 30. Dezember 2014 in der Villa in Küsnacht geschah wird wohl für immer im Dunkeln bleiben. Der Beschuldigte schwieg während der gesamten Verhandlung.
Einzig ganz am Schluss äusserte er sich und richtete am Freitag ein paar Worte an die Opferfamilie: «Das was ich getan habe, tut mir unendlich leid. Ich würde alles tun, um es rückgängig zu machen. Das können Sie mir glauben«, sagte er.
Bekannt und unbestritten ist, dass der heute 31-Jährige für den Tod seines Kollegen verantwortlich ist. Er hatte ihn im Drogenrausch getötet, in dem er unter anderem mit einem 6 Kilogramm schweren Kerzenständer und einer rund 1,9 Kilogramm schweren goldenen Skulptur auf ihn einschlug.
Anschliessend rammte er seinem noch lebenden Opfer eine Kerze in den Mund und erwürgte es mit seinen Händen. Der Staatsanwalt sprach von einer «brutalen Tat», das Opfer sei «massakriert» worden, die Verteidigung von einer Tat, bei der «der Wahnsinn Regie geführt hat«.
Freiheitsstrafe von 16 Jahren gefordert
Der Staatsanwalt forderte deshalb für den Mann, der aus einer Kunsthändlerfamilie stammt, eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren. Dies wegen vorsätzlicher Tötung - begangen wegen eines eskalierenden Streits -, Vergewaltigung sowie mehrfacher Nötigung seiner Ex-Freundin und wegen weiter Delikte.
Ausserdem soll der deutsche Staatsangehörige, der kokain- und ketaminabhängig ist, ambulant therapiert werden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann wegen seines Drogenrauschs im Fall des Tötungsdelikts mittelgradig schuldunfähig ist. Das Gericht hat deswegen bereits ein Ergänzungsgutachten angefordert.
Im ursprünglichen Gutachten ging der Gutachter von einer vollständigen Schuldunfähigkeit aus. Seine Haupthypothese war eine Wahrnehmensveränderung durch den Drogenkonsum, die zur Tat führte. Ein eskalierender Streit beurteilte der Gutachter lediglich als «theoretische Möglichkeit».
Staatsanwalt glaubt Ex-Freundin
In einer Alternativanklage schloss der Staatsanwalt daher auch eine sogenannte actio libera in causa nicht aus: Der Beschuldigte könnte sich vor dem Tötungsdelikt durch die Einnahme von Kokain und Ketamin absichtlich in eine Schuldunfähigkeit versetzt haben.
Denn aufgrund früherer Erfahrungen und Vorfälle hätte der Mann wissen müssen, dass er durch den Drogenkonsum in einen psychotischen Zustand mit paranoiden Wahnvorstellungen geraten kann, in dem er andere Personen ernsthaft gefährdet. In diesem Fall forderte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von 13, eventuell 10 Jahren.
Bei diesen früheren Erfahrungen und Vorfälle stützt sich die Staatsanwaltschaft hauptsächlich auf die Aussagen der Ex-Freundin des Beschuldigten.
Sie hatte von verschiedenen Psychosen des Beschuldigten berichtet: So habe er beispielsweise einmal geglaubt, alle Anwesenden auf einer Party in Ibiza seien Geister, wobei sie entscheide, ob er dem Fegefeuer geopfert werde, damit alle anderen in den Himmel kommen. Ebenfalls auf Ibiza soll er versucht haben, sie zu töten, in dem er sie aus dem fahrenden Taxi zerren wollte.
Sie hat laut Staatsanwalt glaubhaft, schlüssig und detailreich ausgesagt, weitere Zeugen hätten ihre Angaben teilweise gestützt - gerade beim sexuellen Übergriff: Sie warf ihm vor, sie im Oktober 2014 in einem Hotel in London vergewaltigt und mehrfach genötigt zu haben. Er bestreitet die Vorwürfe.
«Hang zum Drama»
Die Verteidigung versuchte hingegen die Aussagen der Ex-Freundin zu zerpflücken. Sie sei nicht glaubhaft, habe einen Drang zum Drama und habe die Geschichten erfunden. Die Verteidigung vermutete einen Racheakt von ihr.
«Ihr ganzes Prozessverhalten ist darauf ausgerichtet, dem Beschuldigten einen grösstmöglichen Schaden zuzufügen», sagte der Verteidiger. Sie habe starke Motive, ihn falsch zu belasten. Das könne verletzter Stolz sein oder weil sie erfahren habe, dass er sie betrogen habe.
Fakt sei, dass der Beschuldigte selbst bei Psychosen nie einen Menschen angefasst oder jemandem ein Haar gekrümmt habe. «Daher war es für ihn nie im Leben voraussehbar, dass er seinen Kollegen später töten würde«, sagte einer seiner zwei Verteidiger. Das wäre eine Voraussetzung für die actio libera in causa.
Für die Verteidigung ist er daher beim unbestrittenen Tötungsdelikt schuldig wegen «selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit». Die entsprechende Freiheitsstrafe soll zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben werden.
Wie hoch die Freiheitsstrafe ausfallen soll, liege im Ermessen des Gerichts. Gemäss Strafgesetzbuch beträgt die Maximalstrafe in diesem Fall drei Jahre.
Bezüglich der Vergewaltigung und der mehrfachen Nötigung will die Verteidigung einen Freispruch, ebenso beim Tötungsvorwurf bezüglich der Taxifahrt auf Ibiza.
Das Gericht will sein Urteil voraussichtlich Ende Juni verkünden. (SDA)