Seine Bande erpresste Schutzgelder, handelte mit Drogen, verschob Waffen. Als er 2015 in Italien kurz vor seiner Verurteilung stand, tauchte er unter – und lebte unbehelligt in der Schweiz, zuletzt in Winterthur ZH. Erst als er international zur Verhaftung ausgeschrieben wurde, war das Spiel für Jose S.* (30) aus.
Am 4. Dezember 2017, dem Tag, als Zürcher Kantonspolizisten das Mitglied des Clans Chindamo-Ferrentino mitten in Winterthur stellten, verhafteten ihre italienischen Kollegen 40 weitere ’Ndranghetisti, zum grössten Teil Angehörige desselben Clans.
Auf Facebook posiert der Schweizer Mafioso mit Mercedes-Cabrio, goldener Uhr und zwielichtigen Freunden aus Albanien. Gemäss Anklageschrift, die SonntagsBlick vorliegt, ist S. ein hochrangiges Clanmitglied.
Erpressten Summen in diverse Unternehmen investiert
Die Familie Chindamo-Ferrentino aus der Gemeinde Laureana di Borrello im süditalienischen Kalabrien war vor allem in der Region um die Stadt Reggio Calabria aktiv. Dort drohte sie mit Schusswaffen oder selbst gebastelten Bomben und trieb Schutzgelder ein: Wenn ein Geschäftsinhaber nicht spurte, wurde sein Laden oder Restaurant in Trümmer gelegt oder in Brand gesteckt.
Die erpressten Summen investierte der Clan in diverse Unternehmen Norditaliens, in Rom – oder in Drogen: Über eine Handelsfirma in der italienischen Hauptstadt schmuggelten die Mitglieder grosse Mengen Kokain, unter anderem versteckt in Reisladungen, die in der kalabrischen Hafenstadt Gioia Tauro gelöscht wurden.
Die Gruppe sei bis zu ihrer Verhaftung aktiv gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Zuletzt stellten die Carabinieri zwei Kilo Marihuana, drei Pistolen, ein Gewehr und Hunderte Schuss Munition sicher. Laut Akten der «Operazione Lex» der Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria handelte S. in der Schweiz auf Befehl seines Bosses Marco Ferrentino (38). Dem half er als «Consigliere» bei der Anbahnung neuer Geschäftsbeziehungen in der Schweiz.
Langjährige Haftstrafe möglich
Zudem unterhielt S. Kontakte zu anderen ’Ndrangheta-Clans in der Schweiz, darunter den Familien Bellocco und Pesce aus Rosarno (I) sowie dem Clan der Molè aus Gioia Tauro. Der Zürcher Anwalt von S. hat gegen seine geplante Auslieferung Rekurs eingelegt, gegenüber SonntagsBlick äusserte er sich nicht. Ein Freilassungsgesuch lehnte das Bundesverwaltungsgericht bereits ab. Nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel dürfte S. ausgeliefert werden. In Italien erwartet ihn eine langjährige Haftstrafe.
*Name der Redaktion bekannt