Finn* (9 Monate) ist ein Sonnenschein. Er lächelt, krabbelt, spielt und kaut auf Dingen herum – so wie es jedes andere Baby in seinem Alter auch macht. Nur wer genau hinsieht, bemerkt seine aussergewöhnliche linke Hand. Es handelt sich um eine Fehlbildung: Die Hand wurde nicht vollständig angelegt, die Finger sind nur im Ansatz ausgebildet. Ärzte sprechen von einer Dysmelie.
Nur vier bis fünf Babys pro Jahr kommen in der Schweiz mit einer solchen Handfehlbildung auf die Welt. Finns Familie aus dem Kanton Zürich geht mit dem Handicap ganz natürlich um. Seine Mama sagt zu BLICK: «Ihn interessiert das gar nicht, er benutzt die Hand genauso. Wir merken es im Alltag auch gar nicht mehr. Finn ist ein ganz normales Kind.»
Der Papa ergänzt: «Auch für die Zukunft machen wir uns keine grossen Sorgen und denken auch nicht, dass er in der Schule gemobbt wird.» Er wachse ja mit den Kindern hier im Dorf auf. «Und wir geben ihm ganz viel Selbstvertrauen mit, so wird er seinen Weg schon machen. Wir stehen solide im Leben – das ist doch das, was zählt.»
Leute erzählen positive Beispiele
Auch aus dem Umfeld hätten sie noch keine einzige negative Reaktion erhalten. «Den Leuten fällt es meistens zuerst gar nicht auf», so die Mutter. «Und wenn doch, dann erzählen sie Beispiele von Menschen, die im Leben ganz erfolgreich waren mit so einer Fehlbildung, ja sogar Chirurgen wurden!»
Dass jemand mal etwas länger hinguckt, nehmen Finns Eltern den Leuten nicht übel. «Ich gucke ja auch hin, wenn jemand etwas hat. Das ist ganz normal», meint Finns Papa. «Und wenn jemand fragt, dann erklären wir, dass er so zur Welt gekommen ist. Man schaut es sich kurz an, und dann ist die Sache erledigt.»
«Man braucht sich nicht zu verstecken»
Finns Mutter möchte anderen Betroffenen Mut machen. «Man braucht sich nicht zu verstecken. Deshalb wollen wir desensibilisieren.» Die Familie sei übrigens ein grosser Fan von Bionicman. Das ist ein Superheld mit einer hochmodernen bionischen Handprothese, der in seinen Abenteuern gegen Vorurteile und Mobbing kämpft und nebenbei Menschen in Not rettet. Erfinder der Comicfigur ist Michel Fornasier (41) aus Dübendorf ZH. «Wir haben ihn auch schon getroffen. Er macht das super!», sagt Finns Mutter. «Seine Botschaft ist Enthinderung statt Behinderung. Das finden wir grossartig!»
Was sie Finn einmal antworten werden auf die Frage, weshalb ausgerechnet er mit einer Dysmelie auf die Welt kam, wissen seine Eltern noch nicht. Denn sie kennen die Ursache nicht – genauso wenig wie die allermeisten anderen Betroffenen. «Wenn andere Kinder fragen, dann sage ich einfach, dass schon im Bauch seine Finger anders gewachsen sind. Das ist für sie dann eine einleuchtende Erklärung.»
Deutschland sucht nun nach der Ursache
In Deutschland wird nun nach der Ursache solcher Handfehlbildungen gesucht, nachdem drei Babys innert weniger Wochen in derselben Klinik damit zur Welt gekommen sind. «Dass man den Grund versucht zu finden, ist uns auch sehr wichtig», meint Finns Mutter. «Uns hilft es zwar nichts mehr. Aber vielleicht kann man irgendwann andere Fälle verhindern.»
Operativ ist bei Finn nichts zu machen. Der Papa meint, dass er dem sowieso nicht zustimmen würde. «Mein Sohn muss das entscheiden, ob er dann mal eine Handprothese will oder was es bis dann alles für Möglichkeiten gibt.» Und Finns Mama ergänzt: «Für uns ist er perfekt, so wie er ist.»
* Name geändert