Beschwerde beim Menschenrechtsgerichtshof
Polizeikontrolle wird Fall für Strassburg

Mohamed Wa Baile (44) kämpfte bis vor Bundesgericht gegen eine seiner Ansicht nach rassistische Polizeikontrolle. Er verlor. Jetzt zieht er das Urteil weiter nach Strassburg.
Publiziert: 09.09.2018 um 12:05 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2018 um 20:47 Uhr
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Mohamed Wa Baile (44) protestiert mit weiss angemaltem Gesicht gegen rassistische Polizeikontrollen.
Foto: Keystone
Fabian Eberhard

Es war an einem Februarmorgen 2015, als Polizisten ihn am Hauptbahnhof Zürich aufforderten, seinen Ausweis zu zeigen. Doch Wa Baile weigerte sich. Seit zwölf Jahren hat er einen Schweizer Pass und ist überzeugt: Die Beamten haben ihn nur aufgrund seiner dunklen Hautfarbe aus dem Pendlerstrom herausgepickt.

Die Polizisten durchsuchten ihn und fanden einen gültigen AHV-Ausweis. Wegen Nichtbefolgens einer polizeilichen Anordnung büssten sie ihn mit 100 Franken. Wa Baile zahlte nicht.

Seither beschäftigt sein Fall die Justiz. Erst das Zürcher Bezirks­gericht, dann das Obergericht und zuletzt das Bundesgericht. Sie alle waren sich einig: Die Kontrolle war nicht rassistisch motiviert. Laut Polizeirapport hatte Wa Baile den Blick von den Beamten abgewandt und dadurch den Verdacht geweckt, ­gegen das Ausländergesetz zu verstossen.

Wurde Wa Baile ungleich behandelt?

Klar ist: Gemäss geltender Rechtslage müssen objektiv nachvollziehbare Gründe für eine Anhaltung vorliegen. Wa Baile findet: Das war eindeutig nicht der Fall. Deshalb reicht er jetzt Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Die Richter in Strassburg (F) sollen klären, ob der gebürtige Kenianer aufgrund seiner Hautfarbe ungleich behandelt wurde.

Das Urteil dürfte zum Präzedenzfall werden. Und die Diskussion um Racial Profiling neu entfachen: Seit Jahren beklagen Antirassismus-Organisationen diskriminierende Personenkontrollen aufgrund von äusserlichen Merkmalen wie Hautfarbe oder religiösen Gewändern.

Laut dem Diskriminierungs­experten Tarek Naguib (42) von der Allianz gegen Racial Profiling handelt es sich um ein «systematisches Problem innerhalb der Polizeikorps». Die selbst bestreiten das, obwohl auch die Uno die Schweiz wiederholt wegen diskriminierender Personenkontrollen rügte.

Um den «institutionellen Alltagsrassismus» zu bekämpfen, zieht Wa Baile den Fall nun weiter. Der EGMR soll gegenüber der Schweizer Polizei klarstellen, dass Hautfarbe oder andere ethnische Merkmale nicht als Motiv für eine Ungleichbehandlung herangezogen werden dürfen.

Er sagt: «Ich möchte Teil des Widerstands gegen Racial Profiling sein, um Menschen zu motivieren, mutiger zu werden und sich gegen rassistische Polizeikontrollen zu wehren.»

Haben Schweizer Gerichte Grundsatz missachtet?

Die Allianz gegen Racial Profiling unterstützt ihn dabei. Deren Experte Naguib findet die Beschwerde nötig, «weil die Schweizer Gerichte einen groben juristischen Fehler begangen haben.» Sie hätten sich geweigert, Grundsätze des internationalen Diskriminierungsschutzes zu befolgen, die besagen: Besteht aufgrund der Faktenlage die «Wahrscheinlichkeit», dass die Hautfarbe für den Anlass einer Kontrolle ein mitentscheidendes Kriterium ist, muss die Polizei beweisen, dass ein individueller Verdacht aus ­objektiver Sicht vorgelegen hat.

Die Beschwerde in Strassburg soll laut Naguib dazu beitragen, dass Menschen künftig vermehrt hinsehen und rassistische und willkürliche Kontrollen melden.

Die Stadtpolizei Zürich hat nach Vorwürfen bereits reagiert. Der ehemalige Sicherheitsvor­steher Richard Wolff (AL) und der Polizeikommandant Daniel Blumer haben Massnahmen getroffen, um das «Fehlverhalten Einzelner» zu minimieren.

Dazu gehört etwa eine App zur statistischen Erfassung der Per­sonenkontrollen. Stadtpolizisten sind dazu angehalten, jeweils Ort, Zeit und Grund schriftlich festzuhalten.

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