Das Thema Ausschaffung sorgt auch zwei Jahre nach Umsetzung der entsprechenden Initiative der SVP für Ärger. Zwar waren die Zahlen, die das Bundesamt für Statistik (BFS) diese Woche zu den Landesverweisen krimineller Ausländer veröffentlichte, nicht ganz richtig (BLICK berichtete). Dennoch zeigten sie auf, dass zahlreiche Delikte, die eigentlich auf der Ausschaffungsliste stehen, im Strafbefehlsverfahren erledigt werden, womit Landesverweis von vornerein ausgeschlossen ist. Denn ein solcher kann nur ein Gericht aussprechen.
Verschleppen also die Staatsanwälte die Umsetzung? Nicht ganz. Dass ein Fall von einem Gericht behandelt wird, garantiert keineswegs, dass Landesverweise ausgesprochen werden, selbst wenn sie angebracht wären. Das zeigt der Fall des Kosovaren Kushtrim D.* (23).
Kosovare urinierte auf sein Opfer
Rasen, Rauben, Sprengstoff-Attacke und Körperverletzung: Der junge Mann aus Oberglatt ZH startete seine Kriminal-Karriere bereits früh, wie BLICK-Recherchen zeigen. Als Jugendlicher verprügelte und fesselte er mit einem Kollegen einen Mann. Dann urinierte er sogar noch auf das Opfer – um ihm dann Geld abzuknöpfen. Kushtrim D. ist auch ein Raser: Die Polizei blitzte ihn mit 70 km/h in einer 30er-Zone. Ein anderes Mal warf er einen Knallkörper in eine Shisha-Bar.
Er sei halt «in falsche Kreise geraten», rechtfertige er laut «Zürichsee Zeitung» die Taten im Mai vor dem Bezirksgericht Horgen. Dort musste er sich für seine letzte Straftat verantworten: Im Juni 2017 überfiel er mit zwei Kollegen einen Geldtransporter der Hiltl-Restaurantkette. Kushtrim D. klaute den Geldkoffer mit 22’000 Franken dreist aus dem Lastwagen. Doch der Fahrer verfolgte das Ganoven-Trio. Ein Velofahrer überwältige schliesslich den Komplizen und hielt die Beute fest. Als die Polizei Kushtrim D. eine Woche später an seinem Wohnort verhaften wollte, versuchte der Kosovare abzuhauen.
Die Staatsanwaltschaft forderte für den notorischen Kriminellen eine Freiheitsstrafe von elf Monaten und einen siebenjährigen Landesverweis. Das Gericht entschied anders. Der 23-Jährige wurde zwar zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von elf Monaten verurteilt, das Gericht sah ihn aber als Härtefall an – und verzichtete daher auf die Ausschaffung. Das öffentliche Sicherheitsinteresse wiege weniger stark als das private Interesse des Mannes, begründete der Richter den Entscheid. Dies weil ein Grossteil der Familie in der Schweiz lebe. Der Staatsanwalt argumentierte vergeblich, dass Kushtrim D. auch Verwandte im Kosovo habe.
Fällt jetzt die Härtefall-Klausel?
Da der Kosovare seit Juni 2017 in Haft sass, ist er seit wenigen Tagen wieder auf freiem Fuss, wie die Staatsanwaltschaft Zürich gegenüber BLICK bestätigt. Mit seinen Eltern wohnt er in einem beschaulichen Reihenhaus in Oberglatt, die Umgebung wirkt aufgeräumt. Ein trautes Familien-Dorf. Der 23-Jährige wollte sich auf Anfrage nicht zu seinen Taten äussern.
Nun ist es möglich, dass die Akte Kushtrim D. politische Konsequenzen hat. «Der Fall ist Wasser auf die Mühlen jener, welche die Härtefallklausel gänzlich abschaffen wollen», sagt FDP-Nationalrat Philipp Müller. Das Parlament werde sich aber so oder so mit der Härtefallklausel befassen müssen.
*Name geändert
Der Kosovare Kushtrim D.* wurde wegen Raubs verurteilt. Das ist eines jener Delikte, die gemäss Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative zur obligatorischen Ausschaffung führen müsste.
Doch die Richter am Bezirksgericht Horgen sahen davon ab – und wendeten die Härtefallklausel an. Hauptgrund dafür dürfte sein, dass der Kosovare ein Secondo ist. Hier verlangt das Gesetz besondere Rücksicht: Es sei, so Artikel 66a Absatz 2 des Strafgesetzes, der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind.
Kushtrim D scheint kein eindeutiger Fall zu sein, denn die Staatsanwaltschaft beantragte ein Landesverweis von sieben Jahren. Und das obwohl auch die Staatsanwälte-Konferenz empfiehlt, bei in der Schweiz geborenen Ausländern, welche den Grossteil ihres Lebens hier verbracht haben, besondere Rücksicht walten zu lassen.
Bei Ausländern, die zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurden, sollen Staatsanwälte «grundsätzlich die Landesverweisung beantragen». Nicht aber bei Secondos: «In solchen Fällen ist eine besonders detaillierte Interessenabwägung durchzuführen», heisst es. Bessere Chancen, trotz Verurteilung hier bleiben zu dürfen, haben ferner Ausländer, die eine «enge Bindung mit der Schweiz» haben.
Selbst bei der vom Volk 2016 abgelehnten Durchsetzungs-Initiative, welche die ausnahmslose Ausschaffung von kriminellen Ausländern verlangte, wollten SVP-Exponenten Secondos stärker schützen. So sagte SVP-Nationalrat und Strafrechts-Professor Hans-Ueli Vogt (48) damals: «Wenn Sie den Fall der Secondos ansprechen, bin ich der Meinung, dass die Initiative so ausgelegt werden muss und soll, dass es bei in der Schweiz geborenen Ausländern nicht zu einer Ausschaffung kommt.» (nmz)
*Name geändert
Der Kosovare Kushtrim D.* wurde wegen Raubs verurteilt. Das ist eines jener Delikte, die gemäss Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative zur obligatorischen Ausschaffung führen müsste.
Doch die Richter am Bezirksgericht Horgen sahen davon ab – und wendeten die Härtefallklausel an. Hauptgrund dafür dürfte sein, dass der Kosovare ein Secondo ist. Hier verlangt das Gesetz besondere Rücksicht: Es sei, so Artikel 66a Absatz 2 des Strafgesetzes, der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind.
Kushtrim D scheint kein eindeutiger Fall zu sein, denn die Staatsanwaltschaft beantragte ein Landesverweis von sieben Jahren. Und das obwohl auch die Staatsanwälte-Konferenz empfiehlt, bei in der Schweiz geborenen Ausländern, welche den Grossteil ihres Lebens hier verbracht haben, besondere Rücksicht walten zu lassen.
Bei Ausländern, die zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurden, sollen Staatsanwälte «grundsätzlich die Landesverweisung beantragen». Nicht aber bei Secondos: «In solchen Fällen ist eine besonders detaillierte Interessenabwägung durchzuführen», heisst es. Bessere Chancen, trotz Verurteilung hier bleiben zu dürfen, haben ferner Ausländer, die eine «enge Bindung mit der Schweiz» haben.
Selbst bei der vom Volk 2016 abgelehnten Durchsetzungs-Initiative, welche die ausnahmslose Ausschaffung von kriminellen Ausländern verlangte, wollten SVP-Exponenten Secondos stärker schützen. So sagte SVP-Nationalrat und Strafrechts-Professor Hans-Ueli Vogt (48) damals: «Wenn Sie den Fall der Secondos ansprechen, bin ich der Meinung, dass die Initiative so ausgelegt werden muss und soll, dass es bei in der Schweiz geborenen Ausländern nicht zu einer Ausschaffung kommt.» (nmz)
*Name geändert