Am 30. Juni 2016 wurde im Zürcher Seefeld der IT-Fachmann M. S.* (42) erstochen. Nach knapp sieben Monaten Flucht wurde Tobias Kuster (23), er befand sich auf Hafturlaub, festgenommen. Er ist geständig. Nun wurde auch sein Knastkumpel, der litauische Gangster Irvidias M.* (36), in der Zürcher Strafanstalt Pöschwies festgenommen.
«Ich kann dies bestätigen», sagt Corinne Bouvard, Sprecherin der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft auf Anfrage von BLICK. «Er befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft klärt seine Rolle im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt ab.»
Der Litauer terrorisierte 2012 die Stadt Zürich
Was hat der Litauer, der 2012 die Stadt Zürich und den Milliardär Thomas Schmidheiny um bis zu 150 Millionen Franken erpressen wollte, mit der Bluttat im Seefeld zu tun?
Irvidias M. sitzt seine achtjährige Freiheitsstrafe in Pöschwies ab. Fakt ist, dass Tobias Kuster in derselben Strafanstalt eine fünfjährige Strafe wegen versuchter räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung und weiterer Delikte verbüsste.
Einige Monate nach dem Mord im Zürcher Seefeld und der Suche nach Kuster erhielt BLICK einen Hinweis. Ein Verwahrter aus der Strafanstalt Pöschwies vermutete, Kuster könnte sich nach Litauen abgesetzt haben. Denn er wisse, dass er sich mit einem Litauer Knasti angefreundet habe.
Weitere Recherchen ergaben, dass Kuster vor dem Mord am IT-Fachmann M. S. im Seefeld einer Zürcher Behörde einen seltsamen Brief zukommen liess. Darin hatte er geschrieben, man solle Irvidias M. umgehend freilassen. Falls man es nicht tue, müssten Personen sterben.
Wie die Oberstaatsanwaltschaft heute bekannt gab, ging der Brief an den Kantonsrat. In Kusters Schreiben sei zudem die Rede davon, dass auch er selber sterben müsste, wenn Irvidias M. nicht freikomme. Kuster hat laut der Oberstaatsanwaltschaft inzwischen gestanden, den Erpresserbrief selber verfasst zu haben.
Toter in Seefeld gilt dennoch weiter als Zufallsopfer
Dem Anschein nach hat Tobias Kuster sein Opfer völlig zufällig ausgewählt. M. S. machte an diesem Tag auf einem Mäuerchen sitzend eine Mittagspause. Unvermittelt stach ihm Kuster dann mit einem Messer in Hals und Oberkörper.
Das Opfer, das in der Nähe im Botanischen Garten tätig war, starb trotz Wiederbelebungsversuchen durch Passanten noch am Tatort. Anfänglich gab es Gerüchte, dass es bei der Attacke um Drogengeschäfte gegangen sei. Dabei galt das 42-jährige Opfer polizeilich als völlig unbescholten.
Kuster nach Waffenkauf im Darknet aufgeflogen
Kuster konnte am 18. Januar 2017 durch einen Zufallstreffer der Polizei im Kanton Bern verhaftet werden. Die Fahnder bekamen Wind davon, dass ein Unbekannter im Darknet illegal eine Schusswaffe bestellt hatte. Am Übergabeort schnappte die Falle zu.
Neben Kuster wurde im Kanton Jura eine weitere Personen verhaftet. Möglicherweise hatte der flüchtige Häftling dort Unterschlupf gefunden. Bislang ist nicht bekannt, wo sich Kuster während seiner fast sieben Monate dauernden Flucht aufgehalten hat. Er war am 22. Juni von einem eintägigen Hafturlaub nicht mehr zurückgekehrt. Stach dann eine Woche später zu.
«Es wird nun durch die Staatsanwaltschaft abgeklärt, ob unser Mandant unter bestimmendem Einfluss anderer Personen gehandelt hat», sagt Rechtsanwalt Valentin Landmann, dessen Büro Tobias Kuster vertritt. Diese These wäre nicht aus der Luft gegriffen. Auch der Litauer hat bei seinen früheren Erpressungen Drohbriefe mit Todesdrohungen an Zürcher Behörden verschickt.
«Dieser Zusammenhang wird selbstverständlich in die Untersuchung miteinbezogen», sagt Corinne Bouvard. Zu der verhafteten Person im Jura wollte sich die Oberstaatsanwaltschaft nicht äussern.
*Namen der Redaktion bekannt