Zürcher Mieter wegen Luxus-Sanierung nach 30 Jahren rausgeschmissen
Kündigung vor Weihnachten

Rund 40 Mieter im Zürcher Seefeld haben die Kündigung erhalten. Ihre Wohnungen sollen saniert werden – bei den alten Bewohnern macht sich pure Verzweiflung breit.
Publiziert: 05.12.2017 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:00 Uhr
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Die Wohnungskündigung trifft die Bewohner, unter ihnen Karin Kalman (58, l.) und Yvonne Seligmann (67), völlig unvorbereitet.
Foto: zVg
Helena Schmid und Lea Gnos

Yvonne Seligmann (67) wohnt seit 31 Jahren an der Zollikerstrasse 23 in Zürich. Die pensionierte Sekretärin ist die Seele des Hauses. Sie dekoriert das Treppenhaus, malt und kocht auch mal für die Nachbarn. Doch: Jetzt hat die Verwaltung ihr und rund 40 weiteren Mietern der Siedlung beim Kreuzplatz per 31. März gekündigt. Grund: Die Wohnungen werden komplett saniert.

«Ich war wie gelähmt, als ich den Brief erhalten habe», sagt Seligmann. Ihr Weihnachtsfest ist schon jetzt vermiest. «Ich kann mir gar nicht vorstellen von hier wegzuziehen. Wir haben hier alle ein so gutes, enges Verhältnis unter den Nachbarn.» In der Gegend noch eine bezahlbare Wohnung zu finden, sei quasi unmöglich. Die gelernte Schneiderin ist verzweifelt: «In Zürich gibt es doch nicht nur Reiche!» 

Kündigung aus heiterem Himmel 

Die Kündigung komme aus dem Nichts, sagt auch Oliver de Perrot (67). Für eine 5-Zimmer-Wohnung zahlt der Architekt 1950 Franken – seit 31 Jahren lebt er hier. Genau wie Karin Kalman (58): «Unsere Kinder sind hier aufgewachsen. Hier ist unser Leben. Wir sind nicht nur Bewohner, wir sind auch Menschen.»

Die Liegenschaft gehört der Pensionskasse der Zürcher Kantonalbank. Im Gegensatz zu den Mietern halten sie eine Komplett-Sanierung für dringend nötig: «Die Infrastruktur ist am Ende ihres Lebenszyklus angelangt und genügt den heutigen Standards nicht mehr», so ZKB-Sprecherin Marilena Batou. 

Wohnungen werden massiv teurer

Doch nach der Sanierung könnten sie sich die Wohnungen nicht mehr leisten, sind die Bewohner überzeugt. ZKB-Sprecherin Batou bestätigt BLICK: «Das Mietzinsniveau wird nach der Sanierung dem quartierüblichen Niveau angeglichen.»

Der Wohnblock befindet sich im Stadtquartier Mühlebach – mit seinen bezahlbaren Mieten ist er eine Ausnahme (siehe Box). Laut Walter Angst vom Mieterverband Zürich haben die Bewohner keine Chance auf eine neue Wohnung in der Umgebung mit vergleichbaren Preisen. «Sie werden ganz woanders hinziehen müssen», sagt er zu BLICK. 

Bewohner wissen nicht wohin

Die Veränderung trifft die Bewohner ins Mark. Chiahui Gort, die im Haus auch eine Therapie-Praxis hat, muss beruflich und privat zügeln. «Es ist schockierend, wir sind ratlos», so die 48-Jährige.

Auch Frida L.* (84) weiss nicht, wo sie hin soll: 37 Jahre lang war sie Hausabwartin. Sie ist mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern vor 42 Jahren eingezogen. «Mein Mann ist seit vier Jahren tot. Er hat die Wohnung tapeziert – das hier war seine Leidenschaft», sagt die Seniorin. 

Nichtsdestotrotz – die Sanierung ist beschlossen. Den Mietern bleibt nichts anderes übrig, als auf eine Verlängerung der Kündigungsfrist zu hoffen. Damit sie nicht noch auf der Strasse landen. 

* Name der Redaktion bekannt

Durchschnittsverdiener haben in Zürich kaum Chancen auf dem Mietmarkt

Nach einer kompletten Sanierung werden die Mietpreise der Liegenschaft an der Zollikerstrasse massiv höher ausfallen. Kaum einer der jetzigen Bewohner wird sich das noch leisten können. 

Damit fallen sie einer Entwicklung zum Opfer, die Walter Angst, Sprecher des Mieterverbandes Zürich, schon seit Jahren beobachtet. «Ältere Wohnungen in attraktiver Lage werden renoviert und in einem absurd höheren Preissegment weitervermietet – damit erreichen die Eigentümer eine höhere Rendite», sagt Angst zu BLICK.

Folge: Zahlungskräftige Zuzügler drängen Durchschnittsverdiener in einzelne Quartiere zurück. «Die Wohnlage in Zürich ist für Durchschnittsverdiener kaum mehr erschwinglich. Wer eine neue Wohnung braucht, muss häufig in Genossenschaften und Aussenquartiere ausweichen – oder gleich ganz wegziehen», so Angst.

Vermögende Mieter für die renovierten Wohnungen zu finden, ist laut Angst ein Kinderspiel. Er weiss: «Arbeitsplätze mit hohen Löhnen locken in Zürich bis heute Zuzügler an, die auch bereit sind, die teils absurden Mietpreise zu bezahlen.» 

Nach einer kompletten Sanierung werden die Mietpreise der Liegenschaft an der Zollikerstrasse massiv höher ausfallen. Kaum einer der jetzigen Bewohner wird sich das noch leisten können. 

Damit fallen sie einer Entwicklung zum Opfer, die Walter Angst, Sprecher des Mieterverbandes Zürich, schon seit Jahren beobachtet. «Ältere Wohnungen in attraktiver Lage werden renoviert und in einem absurd höheren Preissegment weitervermietet – damit erreichen die Eigentümer eine höhere Rendite», sagt Angst zu BLICK.

Folge: Zahlungskräftige Zuzügler drängen Durchschnittsverdiener in einzelne Quartiere zurück. «Die Wohnlage in Zürich ist für Durchschnittsverdiener kaum mehr erschwinglich. Wer eine neue Wohnung braucht, muss häufig in Genossenschaften und Aussenquartiere ausweichen – oder gleich ganz wegziehen», so Angst.

Vermögende Mieter für die renovierten Wohnungen zu finden, ist laut Angst ein Kinderspiel. Er weiss: «Arbeitsplätze mit hohen Löhnen locken in Zürich bis heute Zuzügler an, die auch bereit sind, die teils absurden Mietpreise zu bezahlen.» 

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