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Erbstreit in St. Moritz:«Der Hausarzt meiner Tante nahm eine Schenkung an»

Wüster Erbstreit in St. Moritz um 800 000 Franken – Neffe Reto Schmid tobt:
«Der Hausarzt hat sich die Wohnung meiner Tante (†94) geschnappt!»

Eine betagte Dame (†94) vererbte ihrem Hausarzt eine Wohnung in St. Moritz – wobei ihre Verwandten leer ausgingen. Nun muss das Gericht entscheiden, ob der Arzt oder der Neffe im Recht ist.
Publiziert: 19.08.2019 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 20.08.2019 um 14:19 Uhr
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In diesem Appartement-Haus links mitten im Zentrum von St. Moritz befindet sich die umstrittene Eigentumswohnung – mit Blick aufs Panorama und auf den See.
Foto: Giancarlo Cattaneo
Céline Trachsel

Reto Schmid (61) ist sauer. Der Gedanke, dass er ein Erbe von geschätzt 800'000 Franken an einen Fremden verlieren könnte, schmerzt. Könnte aber Tatsache werden. Seine Tante Elsa Schmid, die 2017 im Alter von 94 Jahren starb, hinterliess eine 2½-Zimmer-Eigentumswohnung im Zentrum von St. Moritz GR. Nur: Sie gehört heute weder Neffe Reto Schmid noch seinem Vater, dem Bruder von Elsa Schmid. Eigentümer der Studio-Wohnung ist Elsa Schmids Hausarzt Carlo G.*!

«Der Hausarzt hat sich die Wohnung meiner Tante geschnappt!», sagt Reto Schmid. Und ist sich sicher: Das ging nicht mit rechten Dingen zu und her. Der Hausarzt liess sich die Wohnung von 40m2 nämlich gleich zweimal von seiner Patientin schenken.

Tante war ganz überrascht

Erstmals kam es im Januar 2013 zu einem Kauf- und Schenkungsvertrag zwischen Elsa Schmid und ihrem Hausarzt. Im Dezember 2013 wollte die Tante aber den Neffen als alleinigen Erben in ihrem Testament einsetzen. Als sie gemeinsam beim Notar sassen, teilte dieser mit, dass Elsa Schmid ihre Wohnung nicht mehr dem Neffen vermachen könne, und verwies auf den Schenkungsvertrag mit Carlo G.

«Meine Tante war überrascht. Sie dachte, sie hätte dem Hausarzt bloss 20'000 Franken für dessen Stiftung gegeben. Dass sie ihm die Wohnung überlassen hatte, war ihr nicht klar.» Der Notar hielt schriftlich fest, dass Elsa Schmid derzeit wohl nicht «testier- und vertragsfähig» sei. Dieser Brief liegt BLICK vor.

Plötzlich stand der Hausarzt im Grundbuch

Der Neffe konfrontierte den Hausarzt in dessen Praxis. Und dieser erklärte sich sofort bereit, vom Schenkungsvertrag zurückzutreten. Den Rücktritt unterzeichnete er wenig später. Reto Schmid: «Der Hausarzt sagte, er habe die Wohnung nie gewollt. Meine Tante habe sie ihm aufgeschwatzt.»

Ein halbes Jahr später stellte der Neffe fest, dass der Hausarzt plötzlich im Grundbuch eingetragen war. «Ich dachte, das sei ein Irrtum», so Schmid. Dem war nicht so. Der Arzt kommunizierte fortan nur noch über seinen Notar und liess ausrichten, er habe einen zweiten Schenkungsvertrag unterschrieben, und die Wohnung gehöre ab sofort ihm. Die Situation blieb unverändert, bis die Tante eineinhalb Jahre später starb.

«Wir haben nun also gar nichts», sagt Reto Schmid. «Dabei hätte ich mir gewünscht, dass das Eigentum in der Familie bleibt. Das Geld wäre meinem 99-jährigen Vater zugutegekommen, der mit einer Minimalrente lebt und den ich finanziell unterstütze.»

Neffe will keine Abfindung

Zudem habe seine Familie seit jeher einen engen Bezug zu St. Moritz, auch wenn er selber im Mittelland lebe. Jetzt kommt Reto Schmid nur noch nach St. Moritz, wenn es um den Erbstreit geht. Zwei Schlichtungsverhandlungen vor dem Regionalgericht Maloja blieben bisher erfolglos.

«Der Hausarzt bot mir Geld an – aber ich lehnte ab, denn ich möchte das ganze Erbe, wie es aus meiner Sicht rechtens wäre. Damit gehe ich ein hohes Prozessrisiko ein und könnte am Ende leer ausgehen», weiss Schmid.

Der Ausgang des Rechtsstreits ist in der Tat höchst ungewiss. Das Bundesgericht entschied sich 2014 in einem ähnlichen Erbstreit auch schon gegen die Familienangehörigen und für einen Hausarzt (siehe Box).

Arzt verweist auf langjährige Schwierigkeiten innerhalb der Familie

Der Hausarzt lässt BLICK via seinen Anwalt ausrichten, dass er es bedaure, dass Elsa Schmid ihren Bruder und ihren Neffen aus der Erbschaft ausgeschlossen habe. «Der Entschluss war wohl das endgültige Resultat langjähriger Schwierigkeiten innerhalb der Familie.» Unabhängig davon, dass Carlo G. der Hausarzt war, sei er «vor allem ein langjähriger Freund der Verstorbenen» gewesen.

Der Anwalt betont: Der Hausarzt habe sich nie als Erbe aufgedrängt. «Die Verstorbene hat meinen Klienten bewusst als Erben eingesetzt und ihm auch die Wohnung übertragen. Sie sagte klar und deutlich, dass sie nicht wolle, dass der Neffe erbe.» Carlo G. habe mehrfach versucht, mit Reto Schmid eine Lösung zu finden. «Aber er und der Bruder der Verstorbenen wollen das gesamte Erbe für sich. Der Letzte Wille der Verstorbenen interessiert sie nicht. Das ist traurig.»

Heute Dienstag wird der Fall vor dem Regionalgericht Maloja in St. Moritz verhandelt.

*Name geändert

Dürfen Ärzte erben?

Der Berufsverband der Schweizer Ärzte (FMH) untersagt Medizinern die Annahme von grösseren Geschenken ihrer Patienten. Nur: Die Standesordnung ist rechtlich gesehen irrelevant. Die FMH könnte den Hausarzt aus St. Moritz GR zwar sanktionieren und ausschliessen. Damit hätte der Neffe die Wohnung aber noch lange nicht zurück.

Auch das Bündner Gesundheitsgesetz sieht keine Regelung betreffend Annahme von Geschenken durch Ärzte vor. «Diese Thematik ist nicht Gegenstand der sanitätspolizeilichen Aufsicht», sagt Amtsleiter Rudolf Leuthold vom Gesundheitsamt in Chur.

Das Bundesgericht entschied in einem ähnlichen Fall auch schon gegen die Familie und für den Hausarzt. Es verneinte die Aussage, «Schenkungen reicher, alleinstehender älterer und kranker Personen müssten bei einem Vertrauensverhältnis irgendwelcher Art vorbehaltlos und allgemein für ungültig erklärt werden» und gewichtete den selbstbestimmten Entscheid der Person höher.

Familien, die leer ausgehen, müssten beweisen können, dass der Entscheid des Erblassers nicht selbstbestimmt war und der Berufsträger seinen Einfluss in unerlaubter Weise ausgenutzt hat.

Bisher waren Erblasser in ihrer Freiheit, wem sie wie viel vererben wollen, trotzdem eingeschränkt. Denn über einen beträchtlichen Teil des Erbes bestimmt das Gesetz. Dieses legt etwa fest, dass Nachkommen drei Viertel des Vermögens erben, wenn der Verstorbene keinen Ehepartner hinterlässt. Heisst: Der Erblasser kann nur über ein Viertel seines Erbes frei entscheiden. Zu wenig, befand der Bundesrat zuletzt. Er schlägt darum vor, diese sogenannten Pflichtteile zu senken: Nachkommen sollen anstatt drei Viertel nur noch die Hälfte des Nachlasses erben.

Der Berufsverband der Schweizer Ärzte (FMH) untersagt Medizinern die Annahme von grösseren Geschenken ihrer Patienten. Nur: Die Standesordnung ist rechtlich gesehen irrelevant. Die FMH könnte den Hausarzt aus St. Moritz GR zwar sanktionieren und ausschliessen. Damit hätte der Neffe die Wohnung aber noch lange nicht zurück.

Auch das Bündner Gesundheitsgesetz sieht keine Regelung betreffend Annahme von Geschenken durch Ärzte vor. «Diese Thematik ist nicht Gegenstand der sanitätspolizeilichen Aufsicht», sagt Amtsleiter Rudolf Leuthold vom Gesundheitsamt in Chur.

Das Bundesgericht entschied in einem ähnlichen Fall auch schon gegen die Familie und für den Hausarzt. Es verneinte die Aussage, «Schenkungen reicher, alleinstehender älterer und kranker Personen müssten bei einem Vertrauensverhältnis irgendwelcher Art vorbehaltlos und allgemein für ungültig erklärt werden» und gewichtete den selbstbestimmten Entscheid der Person höher.

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