Die Winterthurerin Franziska S.* (31) versuchte mit ihrem vierjährigen Sohn nach Rakka zu gelangen, als die Stadt noch das Hauptquartier der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) war. Mittlerweile sind die islamistischen Kämpfer aus der syrischen Stadt vertrieben.
Franziska S. hat immer noch Sympathien für die Terrorgruppe. Das wurde heute Freitag beim Prozess vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona klar. Die Frau aus Winterthur trat in einem blaugrünen Ganzkörperschleier auf. Zu ihren persönlichen Verhältnissen machte sie nur oberflächliche Angaben. Sie lebt von der Sozialhilfe und isoliert in Winterthur ZH. Den Tag verbringe sie grösstenteils damit, im Internet zu surfen, gab sie dem Richter an.
«Ich habe alles schon gesagt»
Kontakt zur ihrer Familie oder Freunden von früher hat sie keinen oder nur sporadisch. Mit ihrem Ex-Mann in Ägypten – dem Vater des vierjährigen Sohnes – telefoniert sie höchstens zwei Mal im Monat. Aussagen zu den ihr vorgeworfenen Taten, lehnte sie komplett ab. «Ich habe alles schon gesagt», sagte sie nur.
Nur auf einzelne Widersprüche ging sie ein. Etwa als der Richter sie fragte, ob sie sich dem IS anschliessen wollte: «Ich wollte im Islamischen Staat leben, das bedeutet nicht, dass ich mich ihm anschliessen wollte.»
Die Beschuldigte hinterliess den Eindruck, dass sie das Gericht ablehnt. Franziska S. lachte immer wieder, als der Richter ihr Fragen stellte. Sie machte mit ihren Äusserungen klar, dass sie nach wie vor die Ideologie des IS unterstützt und sich ihm ohne zu zögern wieder anschliessen würde. «Ich will in einem Land leben, wo islamisches Recht gilt. Sagen sie mir, wo es einen islamischen Staat gibt, dann gehe ich dorthin», sagte sie dem Richter Stefan Heimgartner.
«Sie hiess öffentliche Verbrennungen von Personen gut»
In ihrem Plädoyer schilderte die Bundesstaatsanwältin Juliette Noto, wie erstaunt sie über die Aussagen der Beschuldigten war, als diese offen ihre Sympathien für den IS äusserte. «Sie hiess öffentliche Verbrennungen von Personen und die Attentate vom Januar 2015 in Paris gut.»
Mehr noch: Franziska S. unterstützte in ihren Befragungen auch Anschläge auf die Schweiz. Märtyrer, die sich in einer westlichen Stadt in die Luft sprengten, würden mit der höchsten Stufe im Paradies belohnt, habe sie etwa zu Protokoll gegeben.
Die Staatsanwältin des Bundes forderte deshalb eine Bestrafung mit 24 Monaten Gefängnis unbedingt wegen des Verstosses gegen das Anti-IS-Gesetz.
Anwalt macht Gesinnungsjustiz geltend
Der Anwalt von Franziska S., der Berner Fürsprecher Lukas Bürge, hielt dagegen, dass es sich beim Prozess um Gesinnungsjustiz handle. «Meine Mandantin unterstützt den IS moralisch, ja. Aber das ist nicht strafbar.» Die Verteidigung plädiert auf Freispruch. Das Gericht sah es anders: Franziska S. wurde schuldig gesprochen. Sie kassierte eine teilbedingte Gefängnisstrafe von 18 Monaten – von denen sie sechs Monate absitzen muss. Die Probezeit dauert drei Jahre ab Haftentlassung. Ausserdem muss sie 5'000 Franken Prozesskosten tragen. Während der Probezeit muss sich die junge Frau ausserdem einer psychologischen Betreuung unterziehen und wird von der Bewährungshilfe unterstützt – die Schriftensperre und die Meldepflicht werden vorläufig aufrechterhalten. Aufgehoben wurde dafür eine Gewaltschutzmassnahme.
Ihr Verschulden beurteilte der Richter als mittelschwer bis schwer, negativ bewertete er insbesondere ihre Uneinsichtigkeit. Franziska S. kann das Urteil des Bundesstrafgerichts vor Bundesgericht anfechten. Zuletzt meinte der Richter zu Franziska S.: «Nutzen Sie die Chance und deradikalisieren Sie sich!»
2009 konvertiert
Gemäss Anklageschrift soll die Frau sich über das Internet radikalisiert haben. Die Winterthurerin mit einer kaufmännischen Berufsausbildung und einem Bachelor in Betriebswirtschaft hatte seit 2010 mit ihrem ägyptischen Ehemann in Kairo gelebt, wo auch 2011 ihr Sohn zur Welt kam. Die Ehe war jedoch schon bald zerrüttet.
Ende 2015 habe sie dann in Ägypten ihre ganze Habe verkauft, um mit dem daraus erzielten Geld ihre Reise nach Syrien zu finanzieren, wo sie sich mit ihrem Sohn dem IS anschliessen wollte. Im Januar 2016 wurde die junge Frau dann aber an der Grenze zur Türkei verhaftet. Trotzdem habe sie zwei weitere Male versucht, nach Syrien zu gelangen, schreibt die Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift.
Aus der Anklageschrift geht auch hervor, wie die Frau der Ideologie des IS verfiel und wie stark sie sich mit der Terrororganisation identifiziert hat. Demnach war die Frau, die mit einem Ägypter verheiratet war, Ende 2009 zum Islam konvertiert und hatte sich in der Folge über das Internet mit immer radikaleren Positionen identifiziert.
Die Angeklagte sei überzeugt, dass jeder Muslim die Pflicht habe, zum IS zu gehen und diesen zu unterstützen. Die Angeklagte liebe den IS und stehe nicht mehr hinter den westlichen Werten. Die Schweiz, ihr Rechtssystem und ihre Regierung lehne sie schon deshalb ab, da die Schweiz Frankreich im Kampf gegen den IS unterstütze, heisst es in der Anklageschrift.
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