Whistleblower Thomas Walther
«Das Fedpol will mich fertigmachen»

Er bekämpfte Cyberkriminelle und wehrte sich gegen eine Schwächung seiner Behörde – nun versucht der Bund, den streitbaren Ermittler mundtot zu machen.
Publiziert: 08.04.2018 um 12:31 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:30 Uhr
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Seit 1989 Polizist, davon 23 Jahre im Dienst der Bundeskriminalpolizei BKP, leitete Thomas Walther unter anderem die Koordinierungsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik).
Foto: Peter Gerber
Cyrill Pinto (Text) und Peter Gerber (Foto)

Der Polizeieinsatz im ruhigen Einfamilienhausquartier unweit von Murten konnte Thomas Walther (53) nicht entgehen: Als die beiden Beamten des Sondereinsatzkommandos der Freiburger Kantonspolizei an einem Donnerstagmorgen Anfang März vor seinem Haus aufkreuzten, war er gerade dabei, den Schnee vor seiner Garageneinfahrt wegzuschaufeln.

Die Polizisten erklärten, sie seien gekommen, um Walther die Waffen abzunehmen, warteten aber noch auf einen Kollegen von der Bundeskriminalpolizei (BKP).

Als Kriminalbeamter seit 1989 im Polizeidienst, seit 1995 beim Bund, fragte er nach einem Durchsuchungsbeschluss. Den habe der BKP-Beamte aus Bern dabei, beschieden ihm die beiden. Doch als der Mann von der Bundeskriminalpolizei endlich eintraf, hatte auch er das Papier nicht dabei. Trotzdem händigte Walther dem Trio vier alte Armeekarabiner aus, darunter einen aus dem 19. Jahrhundert.

Bürokratische Behinderungen

Der Polizeieinsatz war erkennbar schlecht vorbereitet – und ganz offensichtlich als Einschüchterungsaktion gedacht: Erst vier Stunden zuvor hatte Walther seine Kündigung eingereicht – nach 23 Jahren im Dienst des Bundesamts für Polizei (Fedpol). Dort leitete er mehrere Jahre lang die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik).
Der erfahrene Ermittler hatte gleichzeitig mit seinem Kündigungsschreiben eine Begründung für diesen Schritt verschickt. Das Schreiben war an Bundesrätin Simonetta Sommaruga (57, SP), mehrere Fedpol-Mitarbeiter und drei Personen des Kobik-Leitungsausschusses adressiert, darunter den Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus (51, SVP).

Auf 140 Seiten beschrieb Walther darin, wie die Arbeit seiner Cyberermittler über Jahre hinweg bürokratisch behindert, ja sabotiert worden war. SonntagsBlick berichtete am 4. März über das Thema, kurz nach dem Polizeieinsatz.

Die Visite der drei Beamten blieb nicht der einzige Versuch, Walther mundtot zu machen. ­Einen Tag nach Erscheinen des SonntagsBlick-Berichts reichte die Personalabteilung der Bundespolizei eine Gefährdungsmeldung bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) ein. Begründung: Walther habe wiederholt lange E-Mails an Fedpol-Direktorin Nicoletta della Valle (56) geschickt, darin unsachliche Vorwürfe gegen Mitarbeiter erhoben und ihr eine letzte Chance eingeräumt, bei Fedpol und BKP eine neue Kultur Einzug halten zu lassen – eine Aussage, die das Fedpol als Drohung auslegte.
Obwohl ein Arztzeugnis Walther bescheinigt, dass er weder für sich noch für andere eine Gefahr darstellt, wird er sich Ende April vor der Friedensrichterin in Murten FR erklären müssen.

Fedpol will Walther bei der Bundesanwaltschaft anzeigen

Bei ihrer Gefährdungsmeldung beruft sich die Personalverantwortliche vom Fedpol auf Artikel 443 des Zivilgesetzbuches. Der ist eigentlich dazu gedacht, Menschen in Notlagen zu helfen. Er kann aber auch dazu missbraucht werden, Leute anzuschwärzen und mundtot zu machen – ein bekanntes Vorgehen gegen Whistle­blower.

Als wäre das nicht genug, will das Fedpol Walther wegen Verbreitung von kinderpornografischem und gewaltdarstellendem Material bei der Bundesanwaltschaft anzeigen. Walther hatte seinem Bericht Beispiele aus der Kobik-Ermittlungsarbeit gegen Pädophile angefügt – die Bilder jedoch verpixelt. Dennoch versucht das Fedpol nun, ihm daraus ­einen Strick zu drehen.

Zuletzt griff die Behörde im Fall Walther noch zu einer weiteren Massnahme: Seine von ihm selbst eingereichte Kündigung wandelte das Bundesamt in eine fristlose um. Das Fedpol will mit Verweis auf das laufende Verfahren und aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben.

Für Walther passt das Vorgehen seines ehemaligen Arbeitgebers in das Bild, das er sich auch von der Bundeskriminalpolizei gemacht hatte. «Es war willkürlich, die Polizeiaktion bei mir zu Hause illegal», sagt er im Gespräch mit SonntagsBlick.

Gegen seine fristlose Kündigung und den Polizeieinsatz vom 1. März behält er sich rechtliche Schritte vor. «Von einer Behörde, die für die Sicherheit der Schweiz zuständig ist, erwarte ich ein professionelleres Vorgehen.»

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