«Ich habe das nicht gewollt»
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«Ich wollte das so nicht»:Hammer-Killer Igor P. (55) schluchzt in Brig vor Gericht

Walliser Ex-CVP-Politiker Igor P. schluchzt vor Gericht
«Ich habe das nicht gewollt»

Igor P. (55) tötete mit einem Hammer seine Partnerin in Brig VS. Heute muss sich der ehemalige Karriere-Mann nun vor Gericht verantworten. Er macht einen Filmriss geltend, weiss nichts mehr von der Tat.
Publiziert: 18.06.2020 um 14:06 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2021 um 15:42 Uhr
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Hier posiert Igor P. mit Bundesrätin Viola Amherd (vorne links, im grauen Anzug). Der promovierte Historiker gehörte der CVP an. Er kandidierte 2016 für den Stadtrat der Gemeinde Brig-Glis und setzte sich für Atomenergie ein.
Foto: Facebook/CVP Brig-Glis
Luisa Duppenthaler

Als Igor P.* (55) den Gerichtssaal in Brig VS heute betritt, ist er kaum wieder zu erkennen. Aus dem einst so selbstbewussten, stolzen Mann auf den CVP-Fotos ist ein unsicher wirkender, älterer Herr geworden. Die Fussfesseln klirren beim Gehen auf dem Boden. Seine Haare sind seit seinen letzten öffentlichen Auftritten als Politiker komplett ergraut, der Hinterkopf ist kahl. Er trägt ein zu grosses weisses Hemd und helle, ausgewaschene Jeans.

Er steht vor Gericht, weil er im März 2018 seine Partnerin Rahel W. (†39) mit 15 Hammerschlägen in seinem Haus tötete.

Der Beschuldigte beantwortet ruhig und sachlich die ersten Fragen des Richters. Zuerst will dieser mehr über den Lebenslauf und zur Pleite des einst so erfolgreichen Karrieremanns wissen. Dann befragt er den 55-Jährigen zum ersten Tötungsversuch an Rahel W. im Juli 2017. Zuvor war es zum Streit gekommen, weil Igor P. das Kursgeld für ein Tanzlager im Tessin nicht bezahlt hatte. «Ich wollte das Lager einfach vor Ort bezahlen. Aber das war Rahel peinlich.»

«Bitte lass mich leben»

Wie der Anklageschrift zu entnehmen ist, glättete er die Wogen mit neuen Lügen und besänftigte so die Mutter seiner zwei Kinder. P. sagt aus: «Wir gingen nach oben und wollten uns da versöhnen. Wir haben Zärtlichkeiten ausgetauscht.»

Wie es dann zum Mordversuch kam, wisse er nicht mehr, behauptet er: «Ich weiss nur, wie ich sie plötzlich sagen höre: ‹Bitte lass mich leben!›» Dann erst habe er realisiert, dass er seinen «Boss»-Gürtel um den Hals seiner Freundin gelegt und sie stranguliert hätte. «Ob sie bewusstlos war, weiss ich nicht», so P. weiter.

Die Stimme von Rahel W. geht ihm nahe

Der Richter lässt ein Tonband abspielen. Es ist der Anruf von P. an die Notrufzentrale. Seelenruhig sagte der CVP-Politiker damals zum Rettungssanitäter: «Meine Partnerin hat eine Strangulation. Sie ist ansprechbar.» Dann holte der Beschuldigte seine Freundin selbst ans Telefon. «Ich habe Schmerzen im Hals, aber ich kann noch atmen. Und ich kann sprechen», sagte die Verletzte. Sie gibt an, für einige Sekunden bewusstlos gewesen zu sein. Rahel W. musste danach drei Tage auf die Intensivstation.

Das Tonband zu hören, geht P. nahe. Es ist das erste Mal, dass der mutmassliche Mörder im Gerichtssaal emotional wird. Er weint. Mit dünner Stimme sagt er, dass es ihm nahe gehe, die Stimme von Rahel W. wieder zu hören. Schnell fasst sich der 55-Jährige wieder.

«Ich habe einen Filmriss»

Der Richter liest ihm eine Aussage der ermordeten Partnerin von der Opferhilfe vor: «Ich habe mich nach abgebrochenen intimen Handlungen wieder anziehen wollen und er hat mich plötzlich von hinten angegriffen und dann gewürgt.» Diese Version bestreitet P. Eine andere Version hat er aber auch nicht: «Ich kann mich wirklich nicht mehr erinnern. Ich habe einen Filmriss.»

Auch bei dem vollendeten Tötungsdelikt gibt Igor P. an, einen Filmriss zu haben. Er beschreibt zwar den ganzen Tag, erinnert sich, dass die Hausräumung am Nachmittag anstand. «Wir haben Zmittag gegessen, danach haben wir Tee und Kaffee getrunken», erzählt er. Dann habe er Rahel W. vorsichtig angedeutet, dass es der Familie finanziell gar nicht mehr gut ginge.

«Ich sah Rahel auf dem Sofa liegen und darum herum war viel Blut»

An die Tat habe er kaum eine Erinnerung. Das meiste wisse er aus der Anklageschrift. «Nach der Tat zischte ab und zu ein einzelnes Bild sekundenschnell vor meinem inneren Auge vorbei. Nach etwa sechs Monaten passierte das aber nicht mehr», führt Igor P. aus.

Auf Nachfrage beschreibt der Ex-Politiker das grausame Bild genauer: «Ich sah Rahel auf dem Sofa liegen und darum herum war viel Blut.» Eine Blutlache sei schon in das Sofa eingezogen gewesen. An die 15 Hammerschläge, mit denen er seine Lebenspartnerin brutal erschlagen haben soll, erinnert er sich nicht. An die Tatwaffe selbst, einen kiloschweren Fausthammer, hat er schemenhafte Erinnerungen. «Ich weiss, dass der Hammer auf dem Fenstersims lag, ich habe ihn am Vorabend noch gebraucht», sagt er aus und wirkt gefasst.

«Ich wollte eigentlich das Beste für Rahel»

Igor P. sagt zum Schluss seiner Befragung: «Mich beschäftigt der Tod von Rahel und meiner Tat extrem. Ich kann mir mein Verhalten nicht erklären. Ich wollte eigentlich das Beste für Rahel und die Familie und es tut mir unheimlich leid, was geschehen ist.»

Igor P. schluchzt: «Der Familie von Rahel möchte ich sagen, ich habe das so nicht gewollt, vielleicht können sie mir eines guten Tages vergeben. Ich möchte irgendwie später noch etwas gutmachen können. Ich hoffe, dass ich diese Chance später habe.»

Er hat aber auch mit sich selbst Mitleid. «Seit zwei Jahren lebe ich mit diesen Schuldgefühlen. Das kann sich niemand vorstellen, wie es ist, jemanden getötet zu haben. Aber ich muss einfach weitermachen und es ertragen.»

Staatsanwalt plädiert auf Mord

Wenig Verständnis bekommt Igor P. von Staatsanwalt Andreas Seitz. Dieser zweifelt an fast allen Aussagen des 55-Jährigen. Dass P. aus dem Affekt gehandelt habe, hält der Seitz für eine Schutzbehauptung. Rahel W. hatte keine Abwehrverletzungen. Heisst für den Staatsanwalt: Die zweifache Mutter hat bei der Tat entweder geschlafen oder war sehr entspannt. Ein Streit der zu einer akuten Affekthandlung geführt hätte, schliesst er somit aus.

Seitz geht davon aus, dass Igor P. vorsätzlich in den Keller gegangen ist um dort den Fäustel zu holen und seine Partnerin zu töten. Das Motiv: Igor P. sei einfach zu feige gewesen, seine Pleite zuzugeben. Und: Er habe Angst gehabt, die Familie zu verlieren und sein Scheitern zuzugeben.

Die Tat sei besonders egoistisch und grausam, führt Seitz weiter aus. Als er den blutverspritzten Tatort beschreibt, schluchzen die im Gerichtssaal anwesenden Freundinnen der ermordeten Rahel W. Der Staatsanwalt will den einst erfolgreichen Karrieremann für diese grausame Tat für 16 Jahre hinter Gittern sehen - er plädiert auf Mord!

Bis am Montag wollen die Richter nun über eine gerechte Strafe für die Tat urteilen.

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