Auf Holztischen reiht sich Trümmerteil an Trümmerteil. Stille Zeugen aus Aluminium und Stahl. Es sind Überbleibsel der Ju-52 mit Kennzeichen HB-Hot, die auf ihrer letzten Reise im August am Piz Segnas mit 20 Menschen in den Tod geflogen ist.
Akribisch untersuchen Mitarbeiter der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) im Hangar von Payerne VD die Fundstücke. Nehmen jedes noch so kleine Teil unter die Lupe. Aus gutem Grund: «Menschen können lügen, aber ein Wrack sagt immer die Wahrheit», sagt Michael Flückiger (50).
Abgestürzte Ju-52 verfügte über keine Aufzeichnungsgeräte
Der Berner ist in den Unfallermittlungen als technischer Leiter so etwas wie der Anführer eines Teams, das ein kompliziertes Puzzle lösen möchte. «Die Schwierigkeit ist, dass der Hersteller des Flugzeugs, die Firma Junkers, im Zweiten Weltkrieg eliminiert wurde», sagt Flückiger.
Will heissen: Die Sust-Leute müssen die Ju-52-Fragmente auf eigene Faust ihrem Ursprungsplatz zuordnen. «Heute hat praktisch jedes Kabel in einem Flugzeug eine eigene Nummer. Früher war das völlig anders», wie Flückiger feststellen musste.
Trotz der Detektivarbeit wirkt der Hangar erstaunlich aufgeräumt. Die Auslegeordnung beginnt mit der Heckflosse, dem grössten Einzelteil des Wracks. Mittig liegen mechanische Teile wie Flügelelemente, Benzinschläuche und Steuerseile auf den Tischen. Daneben stapeln sich in Kisten die BMW-Motoren und ihre Propeller.
Trümmerteile befinden sich auch in Graubünden
Das ist noch nicht alles: Ein weiteres Sust-Lager befindet sich an einem geheimen Standort im Bündnerland. Dort ist die Kabine, wo die Passagiere sassen, untergebracht. Die Instrumente aus dem Cockpit werden im Forensischen Institut in Zürich analysiert. Zudem auf dem Radar der Ermittler: die Aufnahmen der Augenzeugen und der verunglückten Passagiere an Bord.
Michael Flückiger, der seit bald 20 Jahren an Flugunfalluntersuchungen beteiligt ist und auch bei den verheerenden Crossair-Abstürzen im Einsatz war, hat es geschafft, Ordnung ins Chaos zu bringen. Im Rückblick ist das alles andere als selbstverständlich. Der Experte ist seit der ersten Minute an den Ermittlungen beteiligt. Zunächst an der Unfalldokumentation, dann an der Entwicklung des Bergungskonzepts.
«Es war ein völlig surrealer Anblick. Ein fürchterliches Unglück an einem ansonsten so wunderschönen Ort», sagt Flückiger. Leichen und Flugzeugreste liegen am Fuss des Martinslochs völlig verkeilt ineinander. Sie müssen vor Ort getrennt und mit Hubschraubern abtransportiert werden. «Die Bilder gingen mir unter die Haut. Ich habe immer wieder Minuten der Einkehr zwischen die Arbeit geschoben und versucht, innezuhalten», blickt Flückiger zurück.
Er, der für die Armee bis heute Superpuma fliegt, sagt offen: «Ich bleibe mit diesem Absturz wohl für immer verbunden. Auch hier im Hangar ist es so, dass immer wieder schlimme Bilder hochkommen, wenn ich gewisse Teile in meinen Händen halte!»
In Payerne ist Flückigers Aufgabe, das Wrack für sich sprechen zu lassen. Mit Folgen: Die Erkenntnisse seines Teams führten vorgestern zum Grounding der Ju-Air.
«Es geht uns um Prävention und Flugsicherheit!»
Es kamen rostige Mängel ans Tageslicht, die zuvor niemand entdeckt hatte. Flückiger will die Befunde nicht bewerten, lässt aber durchblicken, was er davon hält: «Wenn Sie Ihr Auto vorführen lassen und Korrosion entdeckt wird, kommt es nicht durch die Kontrolle!» So ähnlich sei es auch bei Flugzeugen.
Obwohl technische Gründe als Absturzursache wegfallen dürften, leisten die Hangar-Experten mit ihren Untersuchungen wertvolle Arbeit. «Es geht um Prävention und die Flugsicherheit bei den beiden Schwesterflugzeugen, die gleich alt sind», sagt Flückiger zu seiner Mission.