Der Berner Informatiker Daniel Probst (34) hat auf der Plattform «corona-data.ch» sämtliche Coronavirus-Fälle in der Schweiz zusammengetragen und visualisiert (BLICK berichtete). Programmiert hat er das Grundgerüst dafür in nur wenigen Stunden. Für seine Corona-Karte erntet er dieser Tage umso mehr Lob. «Es zeigt, wie wichtig valide Daten sind», sagt der Programmierer zu BLICK.
Doch während Probst dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zeigt, wie es geht, hinken die Beamten nach wie vor hinterher. Wegen der ausbleibenden Aktualität und fehlenden Transparenz der Zahlen ist der Bund – allen voran das BAG – unter Beschuss. Und so muss sich der Bund vom renommierten Lausanner Epidemiologen Marcel Salathé (42) die Frage gefallen lassen, ob «man nicht vom Bund erwarten darf, dass in der grössten gesundheitlichen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg rasch und offen transparente Daten da sind?»
«Fax ist ein Albtraum für den Datenschutz»
Der Internet-Anwalt und Digital-Spezialist Martin Steiger (41) sagt zu BLICK: «Das BAG hat die Digitalisierung verschlafen – insbesondere die Abteilung von Herrn Koch.» Er fügt an: «Gerade Koch hat vor ein paar Tagen das Fax noch ganz toll gefunden.» Doch es sei falsch auf dem Fax zu beharren.
Bis vor Kurzem ist die Meldung der schweizweiten Corona-Fälle von Ärzten, Laboren und Spitälern an das BAG ausschliesslich via Fax und Post erfolgt. «Fax ist ein Albtraum für den Datenschutz. Da ein Fax über eine Telefonverbindung gesendet wird, ist es nicht verschlüsselt.» Zudem seien Faxe unzuverlässig, oft müsse man die Zustellung mehrmals probieren bis es klappe. Hinzukomme, dass wenn die notwendige Infrastruktur nicht vorhanden ist, nur ein Fax auf einmal empfangen werden könne.
«Das BAG hat das Pech aufgrund der Corona-Situation besonders aufzufallen. Es ist aber nicht allein. Die digitale Mentalität ist bei vielen Behörden leider noch nicht vorhanden», sagt der Digital-Experte und doppelt nach: «Die Schweiz hat als Land einen digitalen Rückstand.»
«BAG sollte Hilfe von Partnern in der Privatwirtschaft und Wissenschaft annehmen»
Mittlerweile gibt es beim BAG nebst Fax-Nummer und Post-Anschrift auch eine geschützte Mail-Adresse des Anbieters Health Info Net (HIN), mittels welcher Ärzte die Patienten-Befunde – innert der vorgegebenen Zeit von 24 Stunden – an das BAG und die Kantonsärzte übermitteln können.
«Aber auch das ist mässig speditiv», so Steiger. Denn der Haken ist: Auch wenn das BAG im E-Mail-Zeitalter angekommen ist, muss das Patienten-Formular, das vom BAG zur Verfügung gestellt wird, noch immer handschriftlich ausgefüllt werden. Heisst: PDF runterladen, ausdrucken, ausfüllen, einscannen – und erst dann verschicken.
Eine sichere Plattform, wo alle Fälle zentral zusammengetragen werden, wäre eine Lösung des Problems. So könnten auch die Corona-Fallzahlen vom BAG schneller kommuniziert werden. Für den Digital-Experten ist klar: «Das BAG sollte jetzt die Hilfe von Partnern in der Privatwirtschaft und in der Wissenschaft annehmen. Die Diskussion, was verschlafen wurde, ist momentan nicht zielführend. Stattdessen sollte das BAG von einer Corona-Plattform, wie sie Probst gebaut hat, profitieren.»
Probst hat schon neu Ideen für Update seiner Corona-Karte
Probst hat dem BAG angeboten seine Plattform zu nutzen, doch statt auf offene Ohren stösst er auf verschlossene Türen. «Private Initiativen sind zu begrüssen. Wir können sie in diesem Fall aber nicht berücksichtigen», sagt BAG-Sprecherin Katrin Holenstein auf Anfrage von BLICK. Der Informatiker bedauert den Entscheid, bleibt aber seiner Sache treu: «Ich werde weitermachen, um den Informationsdurst der Bevölkerung zu stillen.»
Konkret steht Probst mit Open Government Data vom Kanton Zürich in Kontakt. Wie der Informatiker sammeln auch sie auf der Entwickler-Plattform Github, dem «Facebook für Programmierer» wie Probst es nennt, die Daten zur Weiterverarbeitung zusammen. Heisst: Statt die schweizweiten Daten selbst zu sammeln, könnte er diese von Open Government Data beziehen. So bleibt für ihn mehr Zeit sich der Weiterentwicklung von «corona-data.ch» zu widmen.
Probst plant unter anderem ein neues Diagramm. «Es soll die Wachstumsrate von Tag zu Tag zeigen und ersichtlich machen, um wie viel Prozent die Coronavirus-Infektionen zugenommen haben», so Probst. Auch die Anzahl der hospitalisierten Corona-Fälle pro Kanton soll grafisch dargestellt werden.
«Wir sind daran, unsere Zahlen besser aufzuarbeiten»
Das Credo von Probst: Je mehr Daten, desto besser – so lange die Privatsphäre der Personen geschützt ist. «Generell wäre es wünschenswert von allen Corona-Fällen genauere Daten wie Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen zu haben, um diese dann in Relation zu stellen», sagt der Informatiker. Noch aber fehlen diese Daten – vielleicht aber wird das BAG diese beizeiten liefern.
Denn dort verspricht man in punkto Corona-Daten-Puff Besserung: «Wir sind daran, unsere Zahlen besser aufzuarbeiten und zu präsentieren.» Ganz vom analogen Zeitalter will man sich beim BAG vorerst aber noch nicht lösen. Denn: Corona-positive Meldungen werden nach wie vor auch via Fax akzeptiert.