Was hinter den Kulissen des Quälhof-Verkaufs abging
Pferde wurden gleich weiterverhökert

Die Hoffnung für die über 80 Pferde vom Quälhof von Ulrich K. aus Hefenhofen TG waren gross. Doch wo sie wirklich gelandet sind, ist unklar.
Publiziert: 17.08.2017 um 23:52 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:20 Uhr
Beat. Michel

Neun Tage waren diese Pferde in der Obhut des Militärs in Schönbühl BE. Dass die Tiere gerade erst verdreckt und in teils sehr schlechtem Zustand vom Ulrich K.s Hof in Hefenhofen TG geholt wurden, war gestern kaum mehr zu sehen. Nicht nur präsentierten die Trainsoldaten saubere, sondern auch erstaunlich lebhafte und brave Pferde.

Die meisten Besucher hofften, dass die Pferde einen guten Platz finden würden. Hunderte Pferdefans trafen ein und freuten sich auf die Auktion. Doch viele von ihnen wurden enttäuscht.

Ein Hufschmied aus Zürich, der einem oder zwei Pferden einen guten Platz hätte bieten können, sagte bitter zu BLICK: «Als Einzelner hat man fast keine Chance, ein Pferd zu kaufen. Organisierte Gruppen von Tierhändlern und Tierschützern kaufen alles.» Und trotz aller Verpflichtungen, die unterschrieben werden mussten, wurden viele der Pferde anschliessend auf dem Parkplatz gleich weiterverhökert.

Das Problem: Der Preis der Pferde lag mit 200 bis 3000 Franken deutlich unter dem Marktpreis. Bieten konnte man nur bis 500 Franken über dem Schätzpreis. Unter den restlichen Bietern wurde dann der Käufer ausgelost. Bis auf das Schottland-Pony «Köbu», das als Maskottchen bei der Armee bleibt, musste bei sämtlichen Pferden gelost werden. Je grösser die Käufer-Gruppen, desto grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit für einen Zuschlag.

So hätte es für den Zuchthengst «Charly», der für 2900 Franken wegging, an einer normalen Gant gut und gern zehnmal mehr gegeben. Das war also schnelles Geld einfach gemacht. Anschliessend auf dem Parkplatz ging so manches Pferd zum doppelten Preis weiter.

Kleine Bauern hatten da keine Chance. Ein frustrierter Jungbauer zu BLICK: «Wir kamen am Vorabend und sahen uns die Tiere an. Wir wollten auf drei Tiere bieten. Doch jedes Mal machten bei der Verlosung schliesslich 70 bis 90 Leute mit. Zu viert hatten wir da keine Chance.»

Der Vertrag, den die Käufer unterschreiben mussten, verhinderte die anschliessende Schacherei nicht. Keine Einschränkung des Handels, einzig das unmittelbare Schlachten ist untersagt. Aber was heisst schon «unmittelbar»? Ohnehin hat das Militär alle Pferde gerade entwurmt. Sprich: Während dreier Wochen darf man sie nicht schlachten. Aber dann?

Zuständig für den Verkauf der Tiere war das Veterinäramt des Kantons Thurgau. Kantonstierarzt Paul Witzig, seit dem Auffliegen der Quälereien in Hefenhofen heftig umstritten (BLICK berichtete mehrfach), glänzte durch Abwesenheit. Den Verkauf leitete sein Vize Ueli Weideli. Der zeigte sich zufrieden, trotz des wilden Handels hinter den Kulissen. «Die Käufer sind freie Menschen. Ab Übergabe gilt das Eigentumsrecht. Pferde darf man verkaufen.»

Olivier und Rebecca Bieli sind froh mit ihrem Kauf.
Foto: Peter Mosimann

«Die beiden werden es gut haben»

Olivier Bieli (33) und seine Frau Rebecca (32) waren sich am Anfang des Tages noch nicht sicher, ob sie ein Pferd kaufen werden. «Wir schauen, ob Tiere in falsche Hände geraten. Dann kaufen wir auch bis zu zwei Pferde», sagte sie noch am Morgen. Am Nachmittag schliesslich konnten sich der Polizist und die Steuerkontrolleurin nicht mehr beherrschen. Sie boten bei allen Stuten mit Fohlen mit. Bei der sechsten Verlosung hatten sie Glück. «Jetzt nehmen wir statt zwei Grosspferde eine kleine Familie mit», sagt Rebecca Bieli. Das Paar führt neben ihrem Job den Gnadenhof Papillon in Munchhouse in Frankreich. «Die beiden werden es bei uns gut haben», sagt die Tierliebhaberin.
Olivier Bieli beobachtet, dass sich auf dem Gelände viele Tierhändler bewegen und auch versuchen, möglichst viele Pferde zu kaufen. «Kollegen erzählten mir, dass Händler auf dem Parkplatz sogar Tierschützern Pferde, die sie zuvor gerade gekauft haben, zu höheren Preisen anbieten», sagt der Polizist. «Ich mag gar nicht denken, wo jetzt manche dieser Pferde landen.»

Albert Lindenberger nimmt den Quälhof-Besitzer in Schutz.
Foto: Peter Mosimann

«Der Preis ist sehr gut»

AlbertLindenberger (70) aus Beinwil SO hat sich ebenfalls eine Freiberger Stute mit Fohlen gekauft. Der Landwirt sieht das als eine gute Gelegenheit, denn er hat gerade selber eine Stute mit Fohlen verkauft. «Ich habe Platz, und der Preis ist sehr gut», sagt er. Trotzdem gehört er zu den wenigen Besuchern, die mit der Verkaufsaktion prinzipiell nicht einverstanden sind. «Man kann doch nicht einfach einen Schweizer so enteignen. Das könnte noch vielen Bauern passieren.» Lindenberger beobachtet den Verkauf kritisch. Denn er kennt Bauern, die nicht weit vom Quälhof wohnen und den Bauer Ulrich K. kennen. «Die Leute haben mir erzählt, dass der Bauer überfordert gewesen sei. Der Kanton hätte früher eingreifen und dem Bauern Grenzen setzen sollen, wie sie das auch bei anderen Bauern machen. Aber man sehe den Tieren an, dass es ihnen gar nicht so schlecht gehe. Darum habe er sich auch zum Kauf entschieden. «Ich will jetzt schauen, ob es vielleicht doch noch Papiere gibt für die Stute.»

«Das Pferd geben wir nicht mehr weg»

Bei Bussingers war der Verkauf von den Quälpferden Familiensache. Grosspapi Moritz Bussinger (64) kam mit Enkelin Sereina Büchi (6) und der langjährigen Freundin Ursula Schneider (54). Sie hat bei der Bauernfamilie ihr Pferd eingestellt und hilft, den Pferdezuwachs nach Hause zu bringen. Die Familie hat das Drama um den Quälhof mitverfolgt. «Das ging uns sehr nahe. Uns war schnell klar, dass wir da helfen wollen», sagt Moritz Bussinger. «Wir können einem Pferd einen sehr guten Platz bieten.» Auf ihrem Hof ist vor kurzem ein 30-jähriges Pferd gestorben, das seit 25 Jahren bei der Familie lebte. Ihr Sohn ist mittlerweile auch über 20 und würde sich über einen neuen Kameraden auf dem Hof freuen. «Wenn ein Pferd zu uns kommt, geben wir es nicht mehr weg.» Die Familie hat Glück. Die kleine Seraina wird zur Glücksfee und zieht den richtigen Chip aus dem Sack. Dutzende wollten diese Freiberger Stute. Bussingers kriegen sie. Das Tier ist sehr kooperativ und geht freiwillig in den Transporter.

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