So schikanieren die Behörden Krippen und Kitas mit Vorschriften und Auflagen
Kinder, ist das kompliziert!

Ein Dschungel an Vorschriften regelt die Betreuung der Kleinsten - und die Kosten für Fremdbetreuung in der Schweiz gehören weltweit zu den höchsten.
Publiziert: 25.05.2016 um 22:32 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:39 Uhr
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«Das, was ich verdiene, reicht gerade für Krippe und Hort.» Charlotte Joss mit  Grosstochter Ulysee (links) / «Dass die Geburt für den Mann nur einen so geringen Stellenwert haben soll, finde ich nicht in Ordnung.» Nadia Kourrout mit Tochter Nora und Sohn Felix (rechts)
Foto: Siggi Bucher
Michael Sahli und Sermîn Faki (Text) und Siggi Bucher (Fotos)

Die Gründung von Krippen und Kitas ist eine Wissenschaft für sich. Vom Seifenspender bis zum pädagogischen Konzept – für die Betreuung der Kleinsten gibt es riesige Regula­tions-Hürden. Und: Dieser Dschungel an Vorschriften ­variiert von Gemeinde zu Gemeinde – sogar innerhalb eines einzelnen Kantons. Das Resultat: Die Schweizer Kosten für Fremdbetreuung gehören zu den höchsten weltweit. Bis zu ein Viertel des Haushaltseinkommens geht bei einer Durchschnittsfamilie für die externe Kinderbetreuung drauf. Bei ­Alleinerziehenden ist es sogar ein Drittel (BLICK berichtete).

Und Kita-Angestellte müssen sich mit Kontrolleuren und Beamten herumschlagen, statt Zeit für die Kinder zu haben.

Eine BLICK-Umfrage zeigt: Fast jede angefragte Betreuungsstätte hatte bereits mit dem Amtsschimmel zu kämpfen. «Bei uns wurde ein Wickeltisch aus Sicherheitsbedenken nicht bewilligt», sagt eine Kita-Angestellte aus dem Kanton Zürich. «Exakt dieser Wickeltisch war aber in einer anderen Gemeinde kein Problem – auch im Kanton Zürich.»

Kann das sein? «Ja», sagt Nadine Hoch, Geschäftsleiterin des Verbandes Kinderbetreuung Schweiz. «Der Föderalismus ist eine Hürde. In manchen Kantonen legt jede Gemeinde die Regeln zu Kitas etwas anders aus. Wir empfehlen, die Regelungen zu vereinheitlichen.»

Ein anderes Beispiel des ganz normalen Kita-Wahnsinns: «Wir mussten tagelang das Essen für alle Kinder anliefern lassen, weil unser Dampfabzug nicht dem Standard entsprach – und die ganze Küche für unbenutzbar erklärt wurde», so eine Hortnerin.

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Manche Pläne einer Krippen-Gründung werden im Keim erstickt. «Wenn man in eine Altbauwohnung zwei abgetrennte Toi­letten plus eine Behinderten­toilette einbauen muss, ist das finanziell oft nicht machbar», so ein zweifacher Kita-Gründer. Auch von diesen Problemen hört Verbandschefin Nadine Hoch nicht das erste Mal: «Einige Gemeinden fordern von ­einem Hort die gleichen Hygienestandards wie von einem Gastrobetrieb. Hier müsste es mehr Platz für gesundes Augenmass geben.»

Besonders absurd sind die Regelungen zur Gruppengrösse. «Es ist üblich, dass Kitas nur in Zehner- oder Zwölfergruppen bewilligt werden. Heisst: Man kann eine Kita entweder für zwölf oder dann für 24 Kinder eröffnen», so Nadine Hoch. Streng ausgelegt bedeutet das, dass man für eine 13er-Gruppe Platz für 24 Kinder bereitstellen müsste.

Auch eine Studie der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse kommt zum Schluss, dass Kitas von immer strengeren Auflagen betroffen sind. Selbst dann, wenn sich empirisch keinerlei Notwendigkeit belegen lasse. Oft seien zusätzliche Subven­tionen mit neuen Auflagen verbunden. Das führe dazu, dass die Zuschüsse nicht in die dringend nötige Verbreiterung des Angebots investiert würden, sondern in die «Qualitätsverbesserung». Damit werde auch der Hauptzweck der Subventionen – die Erhöhung der Erwerbstätigkeit der Frauen – unterlaufen.

Die strengen Auflagen schlagen sich laut Studie direkt auf die Kosten nieder: Regulierungen würden das Angebot verteuern – was am Ende wieder die ­Eltern bezahlten, die im internationalen Vergleich bereits deutlich zu viel für die Betreuung berappen müssten. Avenir Suisse fordert denn auch einen Abbau der Überregulierung im Krippen- und Kitabereich. Das werde den Wettbewerb stärken.

FDP-Nationalrätin Doris Fia­la kann nur den Kopf schütteln: «Noch nie hat man die Frauen so sehr im Arbeitsmarkt gebraucht wie heute. Dann müssen wir aber ermöglichen, dass Beruf und Familie unkompliziert und finanzierbar unter einen Hut gebracht werden können. Deshalb muss man derart übertriebener Bürokratie einen Riegel schieben.»

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