Unsere Redaktorin hat getötet
«Sogar Veganer haben mir gratuliert»

In der Metzgerei einkaufen kann jeder. Aber wie ist es, wenn man sein Essen selber schlachten muss? Sonntagsblick-Journalistin Silvia Tschui wollte es wissen und schrieb darüber eine Reportage. Die Reaktionen haben sie überrascht.
Publiziert: 31.08.2017 um 16:23 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 23:13 Uhr
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Vorher: Redaktorin Tschui mit Chüngel im Schlachthof einer Metzgerei.
Foto: Joseph Khakshouri

Essen Sie Fleisch? Haben Sie schon mal geschlachtet? Ich esse schon immer Fleisch – immer weniger zwar und mit zunehmend schlechtem Gewissen. Deshalb wollte ich wissen, was in Schlachthöfen so abgeht. Und wie sich das anfühlt, das Tier, das man normalerweise im Supermarkt abgepackt kauft, selbst zu töten. Ich habe einem Hasen einen Bolzen ins Hirn geschossen, ich habe ihn sterben sehen, ich habe ihn ausgenommen, ich habe ihn gekocht, ich habe ihn gegessen.

Zusammenfassend gesagt: Das Sterben der Tiere ist nicht schön. Wenn man so was noch nie getan hat, wird einem schlecht, es wird einem schwindlig, es treibt einem das Wasser in die Augen. In einer grossen Reportage im letzten Sonntagsblick-Magazin beschreibe ich, wie sich das anfühlt, wie ein Tier von innen aussieht und warum unsere Gesellschaft im Bezug auf Fleisch völlig krank ist (hier nachlesen!).

  Die Reportage hat zu so vielen Leserbriefen und Facebook-Reaktionen geführt, wie ich sie noch nie hatte. Und sie waren, das ist erstaunlich bei diesem Thema, fast durchwegs positiv. Metzger und Bauern schreiben mir, sie hätten Tränen in den Augen gehabt, als sie es lasen. Auch Metzger töten nämlich Tiere nicht gern. Und viele Bauern holen das Nastuch hervor, wenn sie ihre Kühe im Transporter vom Hof fahren sehen.

Wegen wählerischen Schweizern wird die Hälfte des Tiers weggeschmissen

Viele Metzger und Bauern könnten auch aus der Haut fahren, weil sie wissen, dass wir die Hälfte des Tiers wegschmeissen, weil wir es nicht essen wollen: Plätzli, Steak und Filet verdrücken 96 Prozent aller Schweizer gierig, Milken, Markbein oder Leber muss die Fleischindustrie hingegen gleich tonnenweise entsorgen. Viele Fleischesser fragten nach Rezepten für Innereien – um den Fleisch-Food-Waste zu reduzieren. Ein Jäger schreibt mir gar, er hätte gern ein Gesetz, das jeden, der Fleisch isst, dazu verpflichtet, zuerst mal selber töten zu müssen.

Das Erstaunlichste ist aber, dass mir sogar Vegetarier, Tierschützer und Veganer gratulierten. Bloss zwei nannten mich «krank» und drohten, mir dasselbe anzutun wie ich dem Hasen. Viele andere bedankten sich, und posteten den Artikel auf Pro-Vegan-Facebook-Seiten.

Und wie hat der gekochte Hase geschmeckt? Meinen Gästen vorzüglich. Ich hingegen brachte ihn kaum herunter. Er schmeckte, wie es im Schlachthof roch: Nach Todesangst.

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