Als eine Türkin aus Basel (33) auf dem Konsulat ihres Heimatlandes in Zürich vorstellig wurde, dachte sie nichts Böses. Die Frau mit kurdischen Wurzeln ist in der Schweiz geboren, musste eigentlich nur eine kleine Formalität erledigen. Es kam anders, wie SonntagsBlick publik machte: Die türkischen Beamten beschlagnahmten kurzerhand den Pass der Frau.
«Mir wurde gesagt, dass in der Türkei ein Strafverfahren gegen mich laufe», sagte sie. «Ich würde per Haftbefehl gesucht.» Später stellt sich heraus, dass gegen sie ein Verfahren wegen angeblicher Terrorpropaganda läuft. Die betroffene Frau kann über die Gründe nur spekulieren: Sie habe in sozialen Medien hin und wieder Kritisches über den türkischen Machthaber geschrieben.
Weitere Betroffene melden sich bei BLICK
Jetzt wird klar: Es handelt sich nicht um einen Einzelfall. In einigen Nachbarländern ist die Praxis schon länger bekannt. Und auch in der Schweiz gibt es weitere Betroffene, deren Reisedokumente illegal eingezogen wurden.
Auch Melisa A.* (26) aus dem Kanton Bern wurde auf der türkischen Botschaft in Bern der Pass abgenommen. Der Fall ereignete sich bereits im September 2018. «Ich wollte meine Verwandten in der Türkei besuchen. Und musste dazu meinen Pass erneuern», erzählt sie.
Auf der Botschaft habe sie dann bemerkt, wie es hinter den Kulissen hektisch wurde, so die Frau, die ebenfalls kurdische Wurzeln hat. «Plötzlich standen drei bis vier Männer um mich herum. Da bekam ich Angst.» Dann sei sie gebeten worden, die Botschaft sofort zu verlassen. Man informierte sie: Ihr Reisepass sei eingezogen worden.
Die 26-Jährige lebt in der Schweiz, seit sie ein Kind ist. Und fragte nach der Begründung für den Entzug des Passes. Die erhielt sie nicht. «Mir wurde dann gesagt, wenn ich in die Türkei einreise, würde man mich sowieso nicht mehr ausreisen lassen – eine klare Drohung.» Sie habe dann auf den Familienbesuch verzichtet und werde auch in Zukunft keine Ferien in der alten Heimat machen können.
In der Schweiz will niemand verantwortlich sein
Was die Erdogan-Beamten gegen sie haben, kann sich Melisa schon vorstellen: «Mein Mann und ich äussern uns immer wieder kritisch gegenüber dem Regime. Und wir haben uns während des Syrien-Konflikts auch für die Kurden in Kobane eingesetzt.» Etwas Illegales habe sie aber nie getan. Schon ihre Eltern seien aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert gewesen.
Dass sie nun quasi in der Schweiz festsitzt, belastet die Bernerin schwer: «Ich habe versucht, mit den Schweizer Behörden eine Lösung zu finden – aber dort scheint niemand verantwortlich für mich zu sein.»
Tatsächlich will sich in Bern ganz offensichtlich niemand für die drangsalierten Schweiz-Türken einsetzen. Das Aussendepartement lässt verlauten: «Die Vergabe und der Entzug von Reisepässen obliegen der ausstellenden Behörde des Herkunftslandes der jeweiligen Staatsangehörigen.»
Die Vertretungen der Türkei haben sämtliche Anfragen unbeantwortet gelassen.
* Name bekannt