Johan Cosar (37) zog in den Krieg. Nicht in den mörderischen Dschihad, sondern gegen den IS. Dennoch steht der Tessiner mit syrischen Wurzeln ab heute in Bellinzona vor Gericht. Der Vorwurf der Militärjustiz: Johan Cosar ist ohne Erlaubnis des Bundesrats in einen fremden Militärdienst eingetreten. Dem Christen drohen bis zu drei Jahre Gefängnis.
Sein Verteidiger Yasar Ravi bestätigt zudem einen zweiten Anklagepunkt. Darin soll sein Mandant weitere Schweizer Bürger überredet haben, sich der christlichen syrischen Miliz Syriac Military Council (SMC) anzuschliessen. Das sei, so stehe es in der Anklageschrift, über soziale Medien wie Facebook und Youtube erfolgt. Man würde Johan Cosar vorwerfen, propagandistisches Material ins Netz gestellt und einen Verwandten eingespannt zu haben, um weitere Schweizer zu rekrutieren, die dann weitere freiwillige Helfer betreuten. Dieser Mittelsmann muss sich nun ebenfalls vor dem Militärgericht verantworten.
Demo für Cosar
Am Mittwochmorgen, bevor der Prozess beginnt, versammeln sich rund sechzig Personen vor dem Gebäude des Bundesstrafgericht in Bellinzona TI. Es handelt sich unter anderem um Cosars Familie. Darunter sein Grosi Nafiye, seine Mutter Güner, seine Schwester Shamiran. «Kämpfen gegen den IS ist kein Verbrechen», haben sie auf weisse Schilder gekritzelt. Oder: «Ich habe nicht gemordet, nur mein Volk verteidigt» oder «Er ist kein Krimineller, nur weil er für das Gute kämpfte.»
Um 9.05 Uhr, mit fünfminütiger Verspätung, beginnt die Verhandlung. Johan Cosar und sein Cousin (30) sitzen den Richtern gegenüber. Cosar trägt ein schwarzes Hemd und einen grauen Anzug. Sein Cousin macht ebenfalls einen gepflegten Eindruck, trägt einen grauen Anzug mit weissem Hemd.
Als er in Syrien gewesen sei, sei die Situation extrem verwirrend gewesen. «Man wusste nie, wer, wann, wo, gegen wen kämpfen würde.» Der Schweizer erklärt, dass es notwendig gewesen sei, eine Miliz zum Schutz der christlichen Gemeinde im Gebiet aufzubauen. «Mein Einsatz begann, als die islamischen Milizen sich von den Grossstädten lösten und in den Norden vorrückten, wo es ganze rein christliche Städte gab. In dieser Zeit war ich in dieser Zone ohne die Möglichkeit, legal das Land zu verlassen.»
«Entweder du kämpfst, oder du stirbst»
Er habe gesehen, dass sich Gruppen von Männern organisiert hätten, mit Waffen, mit denen die sie nicht umgehen konnten. «Ich habe dann geholfen, auch Checkpoints auf zu bauen, um Angriffe auf die Städte abzuwenden. Da konnte ich mein Wissen aus der Schweizer Militärzeit einsetzen.» Die Miliz sei von anderen gegründet worden, «ich war nicht daran beteiligt», sagt Cosar, «ich habe die Leute gekannt. Es waren Jungs vom Ort.»
Sie hätten sich vor dem IS schützen wollen. «Entweder du kämpfst oder du stirbst», sagt Cosar. «Wenn sie mich gefangen genommen hätten, mich als Schweizer, hätten sie mich in eine orangefarbene Kleidung gesteckt und medienwirksam getötet.» Es habe höchste Lebensgefahr geherrscht. «Im August danach wurde ich Mitglied der Miliz», sagt Cosar. Aber mit der Rekrutierung habe er nichts zu tun gehabt. Er habe Neulingen geholfen, mit den Waffen und dem GPS umzugehen.
Als Dschihadisten anrücken, wird Johan Cosar zum Foreign Fighter
Die Geschichte des Tessiners beginnt im Sommer vor sieben Jahren. Johan Cosar reist zu seinem Vater nach Syrien. Dieser ist im Norden politisch aktiv. «Ich wollte aus dem Kriegsgebiet berichten und dann wieder heimkehren», erzählt der Syrer mit Schweizer Pass gegenüber BLICK. Eigentlich will er Weihnachten wieder zu Hause in Locarno TI sein. Doch es kommt anders. Eine Notsituation habe ihn zum Krieger in fremder Uniform gemacht.
«Es war gegen Winter. Ich befand mich im Nordirak, 250 bis 300 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Die islamistischen Gruppierungen Al Nusra und Al Kaida rückten näher. Die Grenzen waren plötzlich dicht», erinnert sich Johan Cosar, «unsere christliche Minderheit wurde bedroht. Ich fürchtete einen Genozid. Rein instinktiv habe ich mich der christlichen Miliz angeschlossen.»
Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) erobert den Norden Syriens, die Heimat von Cosar. «Ich habe nur mein Leben gerettet. Drei Jahre habe ich dann gegen die Dschihadisten gekämpft», erzählt er weiter. 2013 trifft ihn ein weiterer Schicksalsschlag: Sein Vater wird vom syrischen Geheimdienst verschleppt. Seitdem fehlt jede Spur von ihm (BLICK berichtete).
«Ich habe keine Angst vor dem Prozess»
Cosar baut eine Kampftruppe auf, führt den Sturm an, legt Minen. Dabei kommt ihm die fünfjährige Ausbildung in der Schweizer Armee zugute. 2015 gelingt ihm dank falscher Papiere die Flucht. Er kehrt heim – und wird im Zug in Basel verhaftet. Immer wieder kehrt Cosar für mehrere Monate in den Irak zurück, arbeitet dort bei Hilfswerken mit.
Er habe keine Angst vor dem Prozess, sagt Johan Cosar noch im August 2018 dem BLICK, «ich habe doch gegen den IS bekämpft und somit auch die Schweiz verteidigt». Für Rechtsanwalt Yasar Ravi ist das ein wichtiger Prozess. Über seine Verteidigungsstrategie will er nichts sagen. Nur so viel: «Mein Mandant ist unschuldig.»