Familie und Freunde trauern um erschossenen Asylbewerber (38) aus Sri Lanka
«Ich kann nicht glauben, was in Brissago passiert ist»

Bei einem Streit ging Subramaniam H. (38) mit Messern auf zwei Landsleute los. Da schoss ein Tessiner Kantonspolizist (28) dem Tamilen dreimal in die Brust.
Publiziert: 09.10.2017 um 21:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:05 Uhr
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In Brissago erschossen: der Tamile Subramaniam H. (38).
Foto: Zvg
Myrte Müller

Die Gardinen an den Fenstern sind zugezogen. Es herrscht Totenstille im kleinen Hinterhof an der Piazza Municipio Nummer 8. Nur das rote Siegel der Kantonspolizei auf der Eingangstür erinnert an das Blutvergiessen in der Nacht auf Samstag.

Acht Asylbewerber leben am Dorfplatz von Brissago TI zur Miete. Die meisten von ihnen sind Tamilen. Einer heisst Subramaniam H. (38). Er wird diese Nacht nicht überleben. 

Das Drama beginnt gegen zwei Uhr. Im Haus tobt ein Streit. Zwei Asylbewerber rufen die Polizei, warten in der Gasse auf die Beamten. Kapo und Gemeindepolizei treffen ein. Die Tamilen gehen vor, die Kapo folgt. Da stürmt Subramaniam H. aus der Wohnung, direkt auf seine zwei Landsleute zu. In der Hand hält er zwei Küchenmesser. Ein grosses und ein kleines. 

Der Beamte zielt auf den Oberkörper und drückt drei Mal ab

Ein Polizist (28) zieht die Pistole, ruft: «Stehen bleiben!» Doch Subramaniam H. scheint wie im Rausch. Der Beamte zielt auf den Oberkörper, weil ein Geländer die Beine verdeckt. Er drückt drei Mal ab. Die Schüsse durchbohren den Brustkorb des Mannes aus Sri Lanka. Subramaniam H. stirbt noch vor Ort. Gegen den Beamten läuft nun eine Ermittlung wegen vorsätzlicher Tötung.

«Ich kann nicht glauben, was da in Brissago passiert ist. Ich habe einen lieben Freund verloren», sagt Surtharsan S. (27). «Subramaniam war wie ein grosser Bruder zu mir.» Er sei ein geselliger Mensch gewesen, habe immer für alle gekocht. «Wir Tamilen sind miteinander befreundet», sagt der Asylbewerber aus Minusio TI. «Ich weiss nicht, wie es zu so einem Streit kommen konnte.» 

Wenn Subramaniam trank, zeigte er seinen Frust

Doch wenn sein Freund Bier trank, dann kippte zuweilen die Stimmung. «Subramaniam kam vor zwei Jahren ins Tessin. Er konnte kein Italienisch und hatte Mühe, zurechtzukommen. Wenn er angetrunken war, zeigte er seinen Frust und seine Enttäuschung», sagt Surtharsan S.,«oft habe ich ihm Mut gemacht.»

In Sri Lanka trauern auch die Angehörigen um den zweifachen Familienvater. In einem Video, das die Zeitung «Virakesari» online stellte, hört man die verzweifelten Klagerufe. «Sie bitten um den Leichnam von Subramaniam, damit er in seiner Heimat bestattet werden kann», übersetzt Surtharsan S. und wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.

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