Der Migrolino-Shop an der Tankstelle war immer ihre letzte Rettung. «Wir sind morgens da vorbeigefahren, haben uns frische Gipfeli geholt, ein wenig Obst und Gemüse, halt das Nötigste», sagt Rosmarie Klusmeier (78) zu BLICK. Zuletzt immer mit Schutzmaske und Handschuhen, betont die Zürcher Rentnerin. Doch seit heute dürfen sie und Lebensgefährte Rolf René Knobel (75) selbst nicht mehr in die Tankstelle. Die Verkäuferin weist streng auf ein Schild an der Eingangstür: Verboten für alle über 65!
Für das Deutschschweizer Paar ist die Ausgangssperre für Senioren eine halbe Katastrophe. Es lebt abgelegen am Waldrand oberhalb von Breganzona TI. Direkte Nachbarn haben die beiden keine. «Die einzelnen Häuser hier sind Feriendomizile. Da ist zur Zeit niemand», sagt Rolf René Knobel. Und: «Die nächsten Nachbarn sind Tessiner und sprechen kein Deutsch.»
Niemand geht ans Telefon der Hilfsdienste
Man habe einen Wurfzettel im Briefkasten gefunden, aber, so Rosmarie Klusmeier, «die dort angegebenen Telefonnummern sind entweder ständig besetzt oder es meldet sich der Anrufbeantworter.» Das Deutschschweizer Paar wollte sich an die Gemeinde wenden. Doch dort sind alle Schalter zu. «Die Hauslieferdienste der Supermärkte sind für Wochen ausgebucht», klagt Rosmarie Klusmeier weiter.
Einmal ist die rüstige Seniorin heimlich in die Stadt gefahren und hat sich in einen Supermarkt geschlichen. «Dort hat man mich auch gleich gefragt, wie alt ich denn sei», erzählt die gelernte Kauffrau, «ich habe gelogen und behauptet, ich sei erst 63.» Die Verkäuferin habe daraufhin die Augen verdreht. Was für eine Demütigung.
Die Vorräte in der Speisekammer werden knapp
Rosmarie Klusmeier und Rolf René Knobel halten sich fit. Sie wollen dem Coronavirus die Stirn bieten. Sie trainieren auf dem Heimvelo, gehen in ihrem Hanggrundstück spazieren. «Wir machen am Tag drei Runden im Garten», sagt Rolf René Knobel. Einst der erste DJ der Schweiz, Rundfunksprecher und Fotograf ist zudem ein begeisterter Hobby-Koch. «Wir bereiten uns Smoothies zu, essen Yoghurt. Jetzt müssen wir alles gut rationieren», sagt der Glarner. Denn die Küche in ihrem Tessiner Haus droht bald kalt zu bleiben.
«Wir haben noch Vorräte. Pasta, Rüebli, Kartoffeln», so Rosmarie Klusmeier, die seit zwei Jahren hoch über dem Luganersee wohnt. Das reiche noch für eine knappe Woche. «Wir wissen nicht, wen wir um Hilfe bitten können. Ich kenne niemanden, der unsere Kommission besorgen kann. Unser Italienisch ist nicht gut genug. Sollen wir denn hier verhungern?». Vierzig Jahre habe sie in Kalifornien gelebt, erzählt die Wahl-Tessinerin. «Warum kann das Tessin nicht für mobile Senioren bestimmte Einkaufszeiten einführen wie in Amerika?», fragt Rosmarie Klusmeier. Zweimal die Woche für zweieinhalb Stunden würden reichen, damit die Rentner sich versorgen können.