Jeder Tag, an dem Angehörige ihren Götti, Onkel oder ihr Grosi nicht in den Arm nehmen und drücken können, ist für Maria Rita Marty ein Stich ins Herz. Die Massnahmen, die im Zuge der Corona-Epidemie in den Pflege- und Altersheimen im Land eingeführt wurden, empfindet die 57-Jährige als Zumutung. Sie spricht von «Menschenrechtsverletzungen der besonderen Art» und sagt: «Die Menschen in den Einrichtungen gehen ohne den Kontakt zur Familie ein!»
Marty sitzt für die SVP im Zürcher Kantonsrat. Sie selbst hat eine Mutter, die seit wenigen Monaten in einem Heim untergebracht ist. Lange habe sie sich zurückgehalten und gehofft, dass die Einschränkungen bald ein Ende finden würden. Jetzt will sie handeln. Lieber heute als morgen sollen alle Auflagen in den Institutionen aufgehoben werden. «Immer wieder schreiben mir Menschen, die Angehörige in einem Heim haben und seit Wochen nicht mal in die Nähe dieser Leute durften. Selbst das Personal schlägt Alarm, weil die Menschen in den Heimen leiden.»
«Der Schutz des Lebens hat höchste Priorität»
Über die Hälfte der Corona-Toten in der Schweiz starb gemäss Recherchen des «Tages-Anzeigers» in Alters- oder Pflegeheimen. Dass man die dortige Risikogruppe aber zu wenig geschützt hat, glaubt Maria Rita Marty nicht. Im Gegenteil: «Die Menschen starben nicht am Virus, sondern weil ihnen der Lebensmut entzogen wurde oder weil ihnen die medizinische Versorgung in einem Spital verweigert wurde.»
Dass in den Alters- und Pflegezentren seit Wochen wegen Corona eine aussergewöhnliche Situation herrscht, sieht auch Markus Leser so. Er ist Leiter des Fachbereichs Menschen im Alter beim Branchenverband Curaviva. Die Heime müssten laut Leser stets eine Güterabwägung zwischen dem Schutz der Bewohner und deren Freiheit wahrnehmen. «Keine Institution macht es sich hier einfach. Der Schutz des Lebens hat höchste Priorität.»
Marty legt sich mit Parteikollegin an
Bei Curaviva fordert man auch, jegliche Einschränkungen aufzuheben, sobald es die Situation erlaubt. Wann das ist, entscheiden letztlich aber die Kantone. In Zürich heisst die Vorsteherin der Gesundheitsdirektion Natalie Rickli. Maria Rita Marty legt sich mit ihren Forderungen darum ausgerechnet mit ihrer SVP-Parteikollegin an.
Der Kantonsrätin Marty ist das egal. Sie will nun politisch Druck machen. Ein Rekurs gegen die im Kanton Zürich vorgeschriebenen Massnahmen ist noch hängig. Zusätzlich will sie in diesen Tagen eine vorsorgliche Massnahme beantragen. Ihre Verzweiflung werde dadurch aber kaum gelindert, sagt Marty. «Die politischen und rechtlichen Prozesse dauern lange. Bis sich etwas ändert, ist meine Mutter möglicherweise schon gestorben.»
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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