Sprachforschung
Im Standarddeutsch sprudelt die Vielfalt

Heisst es "das Wetter ändert" oder "das Wetter ändert sich"? Beides richtig und beides gutes Deutsch, attestiert ein Forschungsteam aus der Schweiz und Österreich. Kürzlich stellte es ein neues Nachschlagewerk der grammatikalischen Varianten online.
Publiziert: 14.01.2019 um 13:37 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2019 um 12:40 Uhr
Standarddeutsch birgt mehr Vielfalt als man denkt. Ein neues Nachschlagewerk bietet Einblick in die grammatikalische Vielfalt. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

"Standarddeutsch" klingt nach strengen Regeln, die keine Abweichungen zulassen. Weit gefehlt, zeigen Forschende um Christa Dürscheid von der Universität Zürich: Es gibt nicht nur ein richtiges Deutsch, sondern viele.

Vor kurzem haben die Wissenschaftler ein siebenjähriges Projekt zu Varianten in der deutschen Grammatik abgeschlossen und ihre "Variantengrammatik" als Nachschlagewerk kostenfrei online gestellt.

Dass man in der Schweiz Velo fährt und andernorts Fahrrad, und dasselbe Lebensmittel hier Schlagrahm und dort Schlagsahne oder Schlagoberst heissen kann, ist seit den 2000er Jahren in einem "Variantenwörterbuch" festgehalten. Weniger auffällig als im Wortschatz, aber ebenso vielfältig, sind die standardsprachlich-regionalen Gepflogenheiten in der Grammatik.

Das stach der in Deutschland aufgewachsenen Christa Dürscheid ins Auge, als sie vor mehr als 15 Jahren in die Schweiz kam und in hiesigen Tageszeitungen grammatikalische Helvetismen las, wie sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erzählt. Aus der Idee, diese Vielfalt in der deutschen Grammatik zu untersuchen, wuchs nach und nach das Forschungsprojekt, das vor Kurzem zum Abschluss kam.

"In bisherigen Nachschlagewerken kommen solche Grammatikvarianten kaum bis gar nicht vor, und werden - wenn überhaupt - meist als Abweichung gekennzeichnet aufgeführt", sagt Dürscheid. Grund sei, dass die früheren Autoren dieser Nachschlagewerke meist den Sprachgebrauch im Norden des deutschen Sprachraums im Blick hatten und die ihnen bekannten Formen als richtiges Deutsch ansahen, die ihnen ungewohnten Formen - beispielsweise aus der Schweiz - aber als "falsch".

Mit dem Projekt wollten Dürscheid und ihre Kollegen von den Universitäten Graz und Salzburg daher auch ein sprachpolitisches Zeichen setzen: dass diese Varianten kein schlechteres Deutsch sind, sondern gleichermassen und gleichberechtigt vorkommen.

In 68 Regionalzeitungen aus dem deutschsprachigen Raum, darunter auch Titel aus Liechtenstein, Luxemburg, Ost-Belgien und Südtirol, sammelten die Sprachforschenden grammatikalische Varianten, die in den jeweiligen Regionen als völlig unauffällig galten und standardmässig in den Zeitungsartikeln verwendet wurden.

Mitsamt Beispielen stellten sie alle aufgefundenen Varianten in dem nun veröffentlichten Nachschlagewerk zusammen. Sie betreffen zum Beispiel die Pluralbildung, wie bei "die Tunnels" oder die "Tunnel" oder das grammatische Geschlecht, wie bei "das Tram" oder "die Tram".

Entstanden sein könnten Varianten bei neuen Wörtern beispielsweise aus gewissen Unsicherheiten heraus: So lehnte man "E-Mail" mancherorts eher an "die Post" an und benutzte "die", andernorts wurde es zur Gepflogenheit, ein "das" davor zu setzen.

"Die Grammatik stellt verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung", erklärte Dürscheid. Beispielsweise könne man den Plural im Deutschen auf verschiedene Weise bilden, wie mit -s, mit -n oder mit -er, aber auch ohne dass eine Endung hinzugefügt wird. "Und innerhalb dieser Möglichkeiten gibt es einen Spielraum, in dem sich regionale Gewohnheiten herauskristallisieren können".

Die Sprachwissenschaftlerin hofft, dass mit Bekanntwerden der Variantengrammatik auch das Bewusstsein für die sprachliche Vielfalt innerhalb des Standarddeutschen wächst und diese zum Beispiel auch im Deutschunterricht thematisiert wird. Und dass all jene, die die bisher als "Abweichungen" betrachteten Formen nutzen, dies mit mehr Selbstbewusstsein tun können.

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