Spitalkollaps verschoben
Jedes vierte Intensiv-Pflegebett ist noch frei

Noch vor einigen Tagen rechneten die Experten mit übervollen Intensivstationen und überfordertem Personal. Das Horrorszenario scheint vorerst abgewendet, von Entwarnung kann aber noch keine Rede sein.
Publiziert: 13.11.2020 um 07:51 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2020 um 11:49 Uhr
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Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle beim BAG, befürchtete, dass der Schweiz die Intensivbetten binnen weniger Tage ausgehen könnten. Inzwischen hat sich die Lage ein wenig entspannt.
Foto: keystone-sda.ch
Marco Latzer

Eine unheilvolle Prognose hat vor anderthalb Wochen die Schweiz aufgerüttelt: «Wenn es so weitergeht wie jetzt, sind die Intensivbetten in fünf Tagen voll», kündigte Virginie Masserey, Leiterin der BAG-Sektion Infektionskontrolle, an einer Medienkonferenz an.

Mittlerweile ist die Frist verstrichen, das Horrorszenario tatsächlich ausgeblieben. Zwar sind die Zahlen mittlerweile wieder etwas gesunken, was am Wirken der Schutzmassnahmen liegen könnte. Gestern meldete das BAG 6924 neue Infektionen. Hospitalisierungen (zuletzt 280) und Todesfälle (94) treten aber bekanntlich zeitlich verzögert auf.

Spitäler können bei Bedarf zusätzliche Intensivbetten schaffen

Genaue Prognosen sind extrem schwierig. So waren etwa in den Spitälern beider Basel gestern Abend 32 von 66 Intensivbetten belegt. «Wir gehen davon aus, dass wir in zwei Wochen an die Kapazitätsgrenzen kommen könnten. Dies mit der eigenen Bevölkerung», sagt Peter Indra, Leiter Bereich Gesundheitsversorgung Basel-Stadt, gegenüber BLICK.

Es komme aber darauf an, wie viele Patienten man aus der restlichen Schweiz übernehmen müsse. Das Beispiel der Basler zeigt, dass die Anzahl der Intensivbetten keineswegs in Stein gemeisselt ist. Denn im Notfall liesse sich deren Anzahl noch einmal deutlich steigern.

«Dann beginnt die qualitative Versorgung aber zu leiden, da wir dann das Personal pro Patienten kontinuierlich reduzieren müssen. Es ist aber möglich, wesentlich höher zu gehen als die 66 Plätze», so Peter Indra. Man sei aber zuversichtlich, dass es gar nicht erst so weit komme.

Verwirrung um effektive Kapazitäten

Ohnehin ist das Chaos um die Anzahl der Schweizer Intensivbetten gross: Mal war von 1100 Plätzen die Rede, ein anderes Mal von 1400. Zurzeit meldet der Koordinierte Sanitätsdienst der Armee (KSD) 1135 in der Schweiz zur Verfügung stehende Intensivbetten.

Davon sind gestern 873 belegt – 262 noch frei. Heisst: Derzeit ist noch jedes vierte Intensiv-Pflegebett frei.

Doch die vom KSD gemeldeten Kapazitäten variieren stark, am Dienstag waren noch über 1600 Intensivbetten gemeldet worden. Auch das Monitoring-System eines Forscherteams der ETH Zürich ist nur beschränkt aussagekräftig. Sinnbildlich: Gestern Abend werden in St. Gallen alle 90 verfügbaren Betten als belegt gemeldet.

Der Ostschweizer Kanton weist auf seiner eigenen Website dagegen nur 28 Patienten aus, die wegen Corona auf einer Intensivstation liegen. Auf Nachfrage heisst es, es stünden derzeit für alle Patienten Plätze zur Verfügung.

Unübersichtliche Lagen wegen zahlreichen Verlegungen

Die Belegungszahlen einzelner Spitäler sind auch nur schwer zu eruieren, weil momentan viele Patienten zwischen einzelnen Standorten verlegt werden. «Die Spitäler haben einen gewissen Spielraum, sie können etwas jonglieren», sagt der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri.

Gleichzeitig verzeichnen die inzwischen Corona-erprobten Ärzte häufiger Behandlungserfolge als noch zu Beginn der Pandemie. Die Folge: Intensivpatienten können schneller auf die Normalstation zurückkehren – und schaffen so ebenfalls Platz für Neuerkrankte.


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