Abgemagerte Pferde stehen im Dreck, Kühe sind verendet, Schweine leiden unter offenen Wunden: Bilder, wie sie regelmässig von Tierschützern verbreitet werden. Man muss kein Tierarzt sein, um zu erkennen: Diese Tiere leiden. Hier müssten die Behörden eingreifen. Doch in vielen Fällen tun sie es nicht – oder nur zögerlich. So wie bei Pferdezüchter Ulrich K.* (49) aus Hefenhofen TG.
Vanessa Gerritsen (36) von der Organisation Tier im Recht vermutet: Fälle wie der im Thurgau kommen immer wieder vor, sie dringen bloss nicht an die Öffentlichkeit.
Jüngste Zahlen zeigen, dass Kantonstierärzte auf Bauernhöfen regelmässig auf Missstände treffen. So etwa im Kanton Zürich: 705 unangemeldete Kontrollen führte das Veterinäramt im letzten Jahr durch. Bei rund der Hälfte gab es Beanstandungen. 34 Anzeigen wurden bei der Justiz deponiert, in 13 Fällen sprachen die Behörden ein Halteverbot aus.
Bundesgericht hob Halteverbot wieder auf
Doch die Betroffenen können die Entscheidungen anfechten. Wie Bauer Ulrich K.: Hier hob das Bundesgericht das zuvor ausgesprochene Halteverbot wieder auf – wegen eines Verfahrensfehlers. Aktuelle Zahlen über Tierrechtsstraffälle zeigen jedoch: Über 90 Prozent aller Anzeigen führen zu einer Verurteilung. Auch die Zahl von Verurteilungen wegen Verstössen gegen das Tierschutzgesetz ist gemäss Angaben des Bundesamts für Veterinärwesen stark gestiegen. Mit schweizweit 2161 Schuldsprüchen erreichte sie 2016 einen Höchststand. Zum Vergleich: 2011 wurden noch 1062 Personen verurteilt – weniger als die Hälfte.
Fälle wie diese liegen zunächst in der Verantwortung von kantonalen Veterinärämtern – die aber stossen zunehmend an ihre Grenzen. Der Berner Kantonsveterinär Reto Wyss, Präsident der Vereinigung der Schweizer Kantonstierärzte, schlägt Alarm: «Die Ressourcensituation ist insgesamt angespannt – es werden massiv Überstunden geleistet, um alle Fälle möglichst angemessen bearbeiten zu können.» Die Ämter müssten deshalb ständig Abwägungen treffen – oft zum Nachteil des Tierwohls. Die Herausforderung besteht darin, möglichst Fälle herauszufiltern, in denen Tiere schwer leiden.
«Den kantonalen Veterinärämtern fehlen die Mittel»
Unterstützung erhält Wyss ausgerechnet von den grössten Kritikern der Behörden. Vanessa Gerritsen von der Stiftung Tier im Recht sagt: «Den kantonalen Veterinärämtern fehlen die nötigen Mittel – die Politik muss dafür sorgen, dass sie diese bekommen.»
Doch Tierschützer sehen auch Verbesserungspotenzial, wie Hansuli Huber sagt, der Geschäftsführer des Schweizerischen Tierschutzes (STS): «Der Tierverkehr wird in der Schweiz lückenlos dokumentiert. Dass Ulrich K. zum Schluss 140 statt wie erlaubt 60 Pferde hielt, offenbart ein totales Chaos bei den Behörden.»
Wohl auch deshalb kommen ständig neue Skandale ans Licht: Letzte Woche stellte eine Westschweizer Tierschutzgruppe Aufnahmen aus einem Schweinestall in La Praz VD ins Internet. Zu sehen ist, dass sich verdreckte Tiere gegenseitig die Schwänze abfressen. Eines der Tiere hat eine grosse, offene Wunde am Hinterteil.
Der Besitzer der Tiere behauptet: Der Stall sei erst kürzlich kontrolliert und nicht beanstandet worden. Andererseits ziehen Behörden immer mehr Züchter aus dem Verkehr – die Öffentlichkeit erfährt davon höchstens, wenn es zu einem Prozess kommt: Wie im letzten Herbst, als ein Zürcher Schweinezüchter zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt wurde, weil er wiederholt und in krasser Weise gegen Tierschutzbestimmungen verstossen hatte: Zu viele Tiere vegetierten in viel zu kleinen Buchten, tote Tiere liess der Bauer einfach liegen. Sein Betrieb wurde im Herbst 2015 geräumt.
Kritik an Geheimniskrämerei
Fälle wie die in der Waadt und in Hefenhofen sind typisch: Regelmässig machen Tierschützer auf Missstände in der Tierhaltung aufmerksam. Darüber, was mit den Hinweisen geschieht, schweigen sich die Veterinäre aus – das schürt Misstrauen.
Auch Vanessa Gerritsen von Tier im Recht kritisiert diese Geheimniskrämerei: «Im Gegensatz zur Justiz ist die Verwaltung sehr intransparent.» Wo es um konkrete Eingriffe zur Rettung von gequälten Tieren geht, hätten Tierschützer nur sehr punktuell Einblick. Oft redeten Kontrolleure mit einem fehlbaren Bauern unter vier Augen – ohne Meldung zu erstatten, obwohl sie dazu verpflichtet wären. Gerritsen fordert deshalb mehr Transparenz bei den Ämtern: «Die Verwaltung muss Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen.»
Hansuli Huber vom STS kritisiert, dass man sich bei den Landwirtschaftsämtern auf strengere Vorschriften und mehr Kontrollen verlasse: «Das ist Mumpitz.» Man müsse nicht die Bauern mehr kontrollieren, bei denen es keine Probleme gibt, sondern dort konsequent hinschauen, wo solche aufgetaucht sind. Huber: «Dies wird viel zu wenig getan.»
Reto Wyss von der Vereinigung der Schweizer Kantonsveterinäre dagegen verteidigt das Verhalten der staatlichen Stellen: «Wir dürfen uns nicht von der öffentlichen Meinung leiten lassen. Wir haben bei unserer Arbeit die richtigen Prioritäten zu setzen und rechtsstaatliche Prinzipien strikte einzuhalten.»
*Name der Redaktion bekannt
250 Tiere wurden am Montag vom Quälhof des Bauern Ulrich K. in Hefenhofen TG abtransportiert. Fünf mussten eingeschläfert werden. Viele der Pferde sind unterernährt, verdreckt und haben Parasiten. Vorübergehend päppelt man sie jetzt im Kompetenzzentrum der Armee wieder auf.
Plätze gesucht
Für die Zeit danach sucht der Schweizer Tierschutz nun geeignete Plätze. 80 Pferde zum Preis von je 800 Franken sind im Angebot. Darunter zehn Freibergerstuten, zum Teil mit Fohlen, 20 Kaltblutpferde – alle ausgebildet, aber auch 50 Freiberger zwischen 1,5 und drei Jahren ohne Ausbildung.
Interessiert? Dann melden Sie sich bei sts@tierschutz.com
250 Tiere wurden am Montag vom Quälhof des Bauern Ulrich K. in Hefenhofen TG abtransportiert. Fünf mussten eingeschläfert werden. Viele der Pferde sind unterernährt, verdreckt und haben Parasiten. Vorübergehend päppelt man sie jetzt im Kompetenzzentrum der Armee wieder auf.
Plätze gesucht
Für die Zeit danach sucht der Schweizer Tierschutz nun geeignete Plätze. 80 Pferde zum Preis von je 800 Franken sind im Angebot. Darunter zehn Freibergerstuten, zum Teil mit Fohlen, 20 Kaltblutpferde – alle ausgebildet, aber auch 50 Freiberger zwischen 1,5 und drei Jahren ohne Ausbildung.
Interessiert? Dann melden Sie sich bei sts@tierschutz.com