Zwei von drei Sicherheitsleuten sind unzufrieden. Das belegte eine Umfrage der Gewerkschaft Unia, über die SonntagsBlick letzte Woche berichtete. Zwei Betroffene erzählen jetzt aus ihrem Berufsalltag:
Der erste Fall
Erwin Schwertfeger arbeitet seit sieben Jahren bei der Securitas. Der 64-Jährige kontrollierte nachts in Thun BE Gebäude und intervenierte bei Einbrüchen: ein Knochenjob. Seit einem Arbeitsunfall 2017 hat er Probleme mit der Hüfte und kann nicht mehr alle Touren machen.
Besonders die langen Wege – bis 22 Kilometer pro Nacht – wurden ihm zur Qual. Der Arzt gestattete ihm maximal sechs Kilometer, mit gelegentlichen Ausnahmen. Schwertfeger wurde zunächst bevorzugt in einem geeigneten Revier beschäftigt, vier bis sieben Kilometer weit, danach war er auf Abruf. Angestellt war er weiter zu 100 Prozent.
Am liebsten hätte Schwertfeger bis zur Pensionierung im kommenden September so weitergemacht. Nur: Im letzten Dezember wurde er plötzlich wieder für die grossen Touren eingeteilt. Sein Revier sei neu für Kaderleute reserviert, habe es geheissen. Schwertfegers Urteil: «Die Gesundheit der Mitarbeiter ist für die Firma wohl einfach nicht so wichtig.»
Die Securitas habe ihn vor die Wahl gestellt: Entweder gebe er sich mit 60 Prozent zufrieden, oder er könne gehen. «Auf einen IV-Bescheid wollte die Firma nicht warten, das gehe ihnen zu lange», sagt er. Ihm sei am Ende nichts anderes übrig geblieben, als zu unterschreiben. Nun arbeite er unfreiwillig Teilzeit, «mit grossen finanziellen Einbussen».
Erwin Schwertfeger ist enttäuscht von der Securitas. «Sie machen Millionengewinne, aber die Mitarbeiter werden ausgenutzt», sagt er. In der gleichen Zeit müsse man immer mehr machen: «Man springt nur noch den Kontrollstationen nach, zum eigentlichen Kontrollieren hat man gar keine Zeit mehr.» Die meisten Mitarbeiter wurstelten sich durch, weil sie ihren Job nicht verlieren wollten.Gegen aussen wirke die Firma perfekt. Aber tatsächlich leide die Qualität unter dem Druck. Schwertfeger schrieb manchmal in den Rapport, er übernehme keine Verantwortung für die Kontrolle, die Zeit habe nicht gereicht: «Wir sind die Schuldigen, wenn etwas passiert.»
Der zweite Fall
Heinz Ruggli brach zusammen: Herzinfarkt! Der 54-Jährige landete im Spital, Gefässverschluss, die Ärzte setzten zwei Stents. Nach mehr als 300 Überstunden im halben Jahr, wie er erzählt, nach täglich zwölf bis 14 Stunden Arbeitszeit. Seit zwei Jahren arbeitete er bei der Securitas, ein Jahr als Chauffeur für die Tochterfirma Datarec. Als er im Spital lag, habe sich keiner nach seiner Gesundheit erkundigt: «Sie haben nur gefragt, wann ich wieder arbeiten komme.»
Zurück im Job, war er den Chauffeurdienst los. Fortan musste er Baustellen bewachen, auch in Zürich. «Es war laut, staubig und stank nach Lösungsmitteln.» Kein optimales Umfeld, um zu genesen. «Mitarbeiter, die ein gesundheitliches Risiko sind, werden aussortiert», sagt Ruggli. Auch ihm sei es so ergangen. Im November wurde er entlassen.
Unter fadenscheinigen Gründen, wie er findet. So habe man ihm etwa vorgeworfen, während des Dienstes aufs Handy geschaut zu haben. Was Ruggli aus dem Alltag erzählt, tönt furchtbar: Ein Arbeitskollege sei im Lift zusammengebrochen, weil er während des Diensts nicht auf die Toilette durfte. Aus Not würden Mitarbeiter in Petflaschen pinkeln. Und wegen fehlender Pinkelpausen bekämen manche von ihnen Nierenprobleme.
Elf Stunden dauernde Einsätze ohne Essenspause habe er erlebt. Während Stunden dürfe man weder kurz absitzen noch sich anlehnen. «Menschliche Bedürfnisse sind der Securitas egal, hier sollten Roboter arbeiten», sagt Ruggli. Er wünscht sich, dass die Chefs den Mitarbeitern mehr Respekt entgegenbringen würden.
Die Securitas wollte zu den geschilderten Fällen keine Stellung nehmen. Sie teilt mit, in jeder der elf Regionaldirektionen gebe es Betriebsräte, mit denen die Geschäftsleitungen Probleme im Alltag diskutierten. «Uns sind bis heute keine Missstände in unserer Unternehmung bekannt, die den Betriebskommissionen gemeldet wurden.»Erwin Schwertfeger ist einfach froh, dass er im Herbst pensioniert wird. Und Heinz Ruggli sagt: «Zur Securitas gehe ich nie mehr.»