Sieben Freunde aus Adelboden BE fuhren Ende Dezember 2018 los, um in Schweden die berühmten Nordlichter zu sehen. Sechs davon kehrten nie mehr nach Hause zurück. Sie liessen ihr Leben auf einer dunklen, eisigen Landstrasse zwischen 90 Tonnen Stein und Metall. Der Horror-Unfall erschütterte die Schweiz – und löste in Schweden eine nationale Diskussion zur Verkehrssicherheit aus.
Nun hat der schwedische TV-Sender Sveriges Television eine eindrückliche und zugleich beklemmende Dokumentation zum Horror-Crash veröffentlicht. Mit Ilja B.* (24) spricht zum ersten Mal auch der einzige Überlebende über den Tag, der sein Leben für immer verändern sollte.
Sechs Schweizer haben keine Überlebenschance
Rückblick: Die Gruppe junger Männer, alle zwischen 20 und 30 Jahren alt, befand sich Mitte Januar gerade mit einem Minibus auf dem Rückweg in die Schweiz. Die letzten Wochen hatten die jungen Christen ihre Abenteuerferien beim Eisfischen, Ski fahren und auf der Suche nach den Polarlichtern genossen.
Auf dem Weg zurück in die Heimat kommt es dann in der polaren Dunkelheit zur Katastrophe. In einer engen Kurve in der Nähe des Ortes Kiruna gerät ihr Fahrzeug bei schlechtem Wetter ins Rutschen. Und knallt frontal in einen entgegenkommenden LKW. Das Minenfahrzeug ist 90 Tonnen schwer. Höchstgeschwindigkeit an der Stelle: 90 km/h. Sechs der sieben Freunde haben keine Chance.
Ilja B. kommt wie durch ein Wunder mit dem Leben davon. «Der Plan war, 24 Stunden durchzufahren, bis nach Stockholm. Dort zu übernachten und dann weiterzufahren», erinnert er sich. «Wir hatten dazu Essen gekauft, Sandwiches und Salziges.» Als seine Freunde sterben, schläft er gerade. «Ich erwachte erst im Spital und fragte die Ärztin, wie es meinen Freunden geht. Einen Moment später erfährst du, dass sie tot sind. Aber du realisierst es nicht richtig.»
Wrackteile lagen dutzende Meter verstreut
Der Fahrer des Minen-Fahrzeugs ist der einzige Überlebende, der zum Unfallzeitpunkt wach ist. Gegenüber den schwedischen Journalisten äussert er sich anonym. Er habe vor der Kurve noch abgebremst, sei extra weit am Rand gefahren, erklärt er. «Dann ging alles sehr schnell.» Das Auto der Schweizer zerschellt förmlich am 90-Tonnen-Fahrzeug. «Ein Geräusch war zu hören», beschreibt der Fahrer den Moment. «Wie Metall, das auseinander bricht.»
Draussen, im Licht der Stirnlampe, sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. «Einige Gegenstände lagen 20 bis 30 Meter weit weg im Wald, in alle Richtungen verstreut.» Und: Es herrscht absolute Stille.
Diese unheimliche Stille geht auch dem Augenzeugen Per Ake Harrila bis heute nicht mehr aus dem Kopf. Er fährt kurz nach dem Crash an der Unfallstelle vorbei. Und habe einen Moment gebraucht, um zu verstehen, was sich gerade vor seinen Augen abspielte, erzählt er unter Tränen. «Ich konnte nicht mir Sicherheit sagen, dass es sich beim Wrack um ein Auto handelte.» Nach einem ersten Augenschein habe er schnell gemerkt, dass er nichts mehr tun konnte, um zu helfen. «Ich ging zu meinem Kollegen (dem Unfallfahrer, Anm. der Red.) und sagte: ‹Komm, wir gehen zu meinem Wagen.›»
Todeskurve wurde nun entschärft
Bis die Schreckensnachricht in der Schweiz ankommt, vergeht einige Zeit. David M.* verlor seinen Sohn Joel (†27) und erinnert sich, wie ein Polizist an seine Türe klopfte. Er habe sich noch gedacht, dass er ja nichts angestellt habe. «Wir waren mitten im Alltag, ein Arbeiter war im Badezimmer am Arbeiten.» In der Küche erklärt der Polizist schliesslich: «Joel hatte einen Unfall in Schweden und hat es nicht überlebt.» Immer wieder stosse er im Haus auf Dinge, die Joel gehörten. «Aber er fragt nicht mehr nach diesen Dingen», sagt der trauernde Vater unter Tränen. «Er liegt jetzt im Grab.»
Anwohner sagten schon direkt nach dem Unfall, in der Todeskurve sei es immer wieder zu heiklen Situationen gekommen. Und: Die zuständigen Behörden hätten ihre Warnungen stets ignoriert. Mittlerweile wurde die Höchstgeschwindigkeit an der Stelle von 90 auf 70 Stundenkilometer heruntergesetzt. Zu spät für sechs Freunde, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten.
* Namen der Redaktion bekannt