Schweizer Spitalangestellten winken bessere Arbeitsbedingungen
Umkleidezeit gleich Arbeitszeit

In einem vertraulichen Brief rät der Schweizer Spitalverband H+ seinen Mitgliedern, das Umkleiden in Zukunft als Arbeitszeit anzurechnen – aus Furcht vor dem Bundesgericht.
Publiziert: 03.03.2019 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2019 um 11:55 Uhr
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Wer in einem Spital arbeitet, ist verpflichtet, die Alltagskleidung vor Arbeitsbeginn gegen frisch gewaschene Spitalkleidung einzutauschen.
Foto: Keystone
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Wer in einem Spital arbeitet, ist verpflichtet, die Alltagskleidung vor Arbeitsbeginn gegen frisch gewaschene Spitalkleidung einzutauschen. Dadurch ist das Personal gezwungen, fünf bis zehn Minuten vor Schichtbeginn in der Spitalgarderobe zu sein. Dennoch werden die Angestellten der meisten Krankenhäuser erst von der Minute an bezahlt, in der sie umgezogen auf der Station erscheinen. Nach Feierabend gilt genau dasselbe umgekehrt.

Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) will das ändern. Ende September konstatierte die Zürcher VPOD-Sektion gegenüber dem Unispital Zürich: «Umkleiden ist Arbeitszeit!» Regional­sekretär Roland Brunner damals zu SonntagsBlick: «Spitäler stehlen den Angestellten Tausende von Arbeitsstunden, indem sie die Umkleidezeit nicht als Arbeitszeit anrechnen. Wir bereiten deshalb im Kanton Zürich eine Klage vor.»

Nun kommt das Thema auch überregional aufs Tapet. Am Dienstag richtete der Spitalverband H+ ein brisantes Schreiben an seine Mitglieder: 218 Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen mit rund 200'000 Beschäftigten.

Man will keinen aufwendigen Rechtsstreit

Im E-Mail, das SonntagsBlick vorliegt, empfiehlt H+-Direktorin Anne Bütikofer: «Sollte das Thema Umkleidezeit gleich Arbeitszeit auch in anderen Kantonen beziehungsweise Regionen aktuell werden, empfiehlt H+ seinen Mitgliedern, Regelungen über eine allfällige Kompensation auf betrieblicher oder ­regionaler Ebene gemeinsam mit den Sozialpartnern zu vereinbaren.»

Das macht zwar nicht den Eindruck, als ob H+ von der neuen Regelung begeistert wäre. Doch mehrere vom Verband konsultierte Juristen seien wie das Seco der Ansicht, dass angeordnete Umkleidezeit Arbeitszeit sei und in geeigneter Form abgegolten werden müsse. Von einem aufwendigen Rechtsstreit sei daher abzuraten. Ein Entscheid des Bundesgerichts könne «unberechenbare und teure Auswirkungen auf die Spitalbranche» haben: «Eine nationale Regelung ist nicht im Interesse der Spital- und Klinikbranche.»

Diese Aussage sorgt beim VPOD für rote Köpfe. «Es ist absolut unverständlich, dass der Spitalverband eine nationale Lösung verhindern will», sagt Regionalsekretär Brunner. Schliesslich gelte das Arbeitsgesetz in der ganzen Schweiz. «Der Grundsatz, dass Umkleiden als Arbeitszeit gilt, ist überall einzuhalten. H+ hat aber offensichtlich das Ziel, dass diese Regel nur dort umgesetzt wird, wo es sich nicht verhindern lässt», so Brunner.

Einige Spitäler bezahlen die Umkleidezeit bereits

Die Verbandssprecherin Dorit Djelid verteidigt die Position von H+: «Die Dauer der Umkleidezeit ist direkt abhängig vom Tätigkeitsbereich der Spitäler und Kliniken respektive von der Berufsgattung. Darum macht eine nationale Regelung keinen Sinn.» Zudem bezahlten einige Spitäler die Umkleidezeit schon heute, weil dies so in Gesamtarbeitsverträgen oder Personalreglementen festgehalten sei. «Eine nationale Lösung würde solche kantonalen oder regionalen Lösungen zwischen den Sozialpartnern verunmöglichen», so Djelid.

Im Kanton Zürich scheint die Forderung der Gewerkschaften unterdessen kaum noch auf Gegenwehr zu stossen: Im Januar gab die Schulthessklinik bekannt, eine Umkleidezeit von 15 Minuten pro Tag zu vergüten. Auch mit dem Zürcher Universitätsspital und dem Kantonsspital Winterthur gibt es Gespräche. Dazu heisst es in dem Schreiben von H+: «Der Verhandlungsrahmen wird sich leider wahrscheinlich am Verhandlungsergebnis der Schulthessklinik orientieren.»

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