Die Iranerin Shiva Amini (28) spielte im März in Zürich Fussball – ohne Kopftuch und in kurzen Hosen. Das Video postete die Ex-Nationalspielerin bei Instagram, wo ihr über 13'000 Menschen folgen. Mit dem Post verärgerte sie den Fussballverband in ihrer Heimat und die Regierung.
Nun hat sie Angst, zurückzureisen. Im Iran droht ihr der Knast, ist sie überzeugt. «Ich würde am Flughafen festgenommen und ins Gefängnis gesteckt werden», sagt sie zu BLICK. Sie bittet um Asyl in der Schweiz.
BLICK hat mit dem ehemaligen Schweizer Botschafter im Iran, Philippe Welti (68), über Amini gesprochen.
BLICK: Herr Welti, sind Aminis Befürchtungen berechtigt?
Philippe Welti: Absolut. Mit ihrer Aktion hat sie die Autorität des Regimes tangiert und sich in eine Situation manövriert, die mit vielen Nachteilen verbunden ist. Wenn sie zurückreist, wird sie bestimmt zumindest festgehalten und verhört.
Wie gross ist die Gefahr, dass sie ins Gefängnis muss?
Fest steht, dass die Behörden irgendwie reagieren müssten, um einen Einschüchterungseffekt zu erzielen. Ob ihr aber tatsächlich der Prozess gemacht würde, ist schwierig zu sagen. Es ist durchaus auch möglich, dass der Fall versandet.
Ist das Kopftuch alleine wirklich ein so grosses Problem?
Obwohl die Kleidervorschriften dieselben geblieben sind, wird im Vergleich zu vor zehn Jahren bei weitem nicht jede Frau auf der Strasse gerügt, wenn ihr Kopftuch nicht ordentlich sitzt. In dieser Hinsicht ist es etwas liberaler geworden. Shiva Amini ist aber eine prominente Persönlichkeit in einer Vorbildfunktion, die jetzt im Rampenlicht steht. Die Regierung fürchtet, dass sich Nachahmer finden könnten und das Beispiel Schule macht.
Steht die Regierung jetzt unter Druck?
Sie befindet sich zumindest in einem Dilemma. Entweder man geht gegen sie vor und macht sich damit bei der Bevölkerung unbeliebt, oder man duldet ihr Verhalten und riskiert damit eine Lockerung dieses gesellschaftlichen Korsetts. Das Regime will grundsätzlich schon seine Vorstellung von Recht und Sitten durchsetzen. Ausserdem will es zeigen, dass sie sich nicht an der Nase rumführen lassen.
Amini kritisierte in einem Aktivisten-Medium den Fussballverband.
Öffentlich Kritik auszuüben ist sehr gefährlich und in ihrem Fall ganz schlecht. Das verstärkt die Vorwürfe der Regierung.
Hat sie gezielt provoziert?
Sie wusste bestimmt über die Kleidervorschriften Bescheid und kann darum nicht überrascht tun. Auch wenn ihr Instagram-Account privat war, musste sie damit rechnen. Alles andere ist eine Ignoranz.
Amini ist in der Schweiz, ihre Eltern und Geschwister im Iran. Muss die Familie um ihr Leben fürchten?
Physische Gewalt droht ihnen kaum, aber Schikanen im Alltag sind möglich. Die Verwandten stehen bestimmt unter permanenter Beobachtung der Behörden, die verhindern werden, dass sie zu einem Anziehungspunkt für die Medien werden.
Gibt es für Amini eine Möglichkeit, jemals wieder zurückzukehren?
Es wäre für sie besser, wenn sie jetzt das Asyl bekommen würde und vorläufig auf eine Rückreise verzichten könnte. Sie müsste dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit von hier aus ein Gespräch mit den Behörden suchen und in Zukunft auch keine solchen Bilder posten oder in den Medien Kritik ausüben.
Vom 1. August 2004 bis 15. Januar 2009 war Philippe Welti (68) Botschafter in Teheran, anschliessend bis Ende 2011 Botschafter in Neu-Delhi. Danach trat er als Diplomat in Pension. Heute arbeitet er als strategischer Berater.
Vom 1. August 2004 bis 15. Januar 2009 war Philippe Welti (68) Botschafter in Teheran, anschliessend bis Ende 2011 Botschafter in Neu-Delhi. Danach trat er als Diplomat in Pension. Heute arbeitet er als strategischer Berater.