Schriftstellerin Zoë Jenny wehrt sich mit anderen Eltern vehement gegen die KESB
«Diese Behörde ist eine Schande für die Schweiz»

Zoë Jenny stritt monatelang mit der Kinderschutzbehörde. Jetzt gründet sie eine Plattform für betroffene Eltern.
Publiziert: 08.10.2014 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:56 Uhr
Zoë Jenny und ihre herzige Tochter Naomi.
Foto: BLICK
Von Katia Murmann

Das Vertrauen in die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) verliert Zoë Jenny (40) im März 2013. Die bekannte Schriftstellerin ist vom Vater ihrer Tochter geschieden, der britische Tierarzt lebt in Indonesien, Jenny mit ihrer vierjährigen Tochter und ihrem Partner im Kanton Schwyz.

«Ich habe mich an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde gewandt, weil ich dringend das Sorgerecht, Unterhalt und die Besuche regeln wollte», erzählt Jenny. Die Behörde erklärt sich korrekterweise für nicht zuständig – und verweist Jenny ans Gericht. Trotzdem bekommt sie wenig später einen Brief der KESB. Ihr Ex-Mann hatte sich an die Behörde gewandt – plötzlich fühlte diese sich doch zuständig. Es folgt ein monatelanger Streit, der Jenny zur Verzweiflung bringt.

Der Vater, der nur alle vier Monate nach Europa kommt, will seine Tochter jeweils für eine Woche mit in ein Hotel nehmen. «Sie ist aber viel zu klein und will auch nicht mit ihm an fremden Orten übernachten», sagt Jenny. Ihr Vorschlag: Der Vater soll das Kind tagsüber sehen, abends aber solle es zu Hause schlafen. «Ich brachte ein Schreiben von einem renommierten Kinderpsychologen, dass es nicht gut sei, wenn ein so kleines Mädchen an fremden Orten übernachtet – und längere Zeit von der Hauptbezugsperson getrennt ist», sagt Jenny.

Die KESB trat darauf nicht ein. «Die zuständige Beamtin hörte mir gar nicht zu, ich konnte kaum einen Satz zu Ende reden.» Über die Empfehlung des Psychologen habe man bei der Behörde nur gelächelt. Zudem findet Jenny im Gesprächsprotokoll Passagen, die ihre Aussagen falsch wiedergeben. Wenige Tage später erhält sie den Bescheid: Sie solle für ihre Tochter den Koffer packen.

«Ich habe mich gefügt», erzählt Jenny weiter. «Doch meine Tochter war so unglücklich, hat geweint und hatte Heimweh. Die Behörden können mich nicht ein zweites Mal zwingen etwas zu tun, was nicht gut ist für meine Tochter.» Es sei unverständlich, dass sich die Beamten über die psychologische Empfehlung eines Experten hinweggesetzt hätten. «Dabei sind sie nicht einmal ausgebildet im Umgang mit Kindern.»

Als die Schriftstellerin eine Beschwerde macht, landet diese beim Bruder der Beamtin, die den Entscheid gefällt hatte. Dieser tritt zwar in den Ausstand, und inzwischen ist auch die KESB-Beamtin wegen Voreingenommenheit in den Ausstand getreten. «Das Ganze war sehr seltsam», findet Jenny. «Diese Behörde ist nicht nur inkompetent und technokratisch, sondern vollkommen intransparent. Man bekommt keine vernünftige Auskunft, es ist als wäre man in China. Dabei ist diese Behörde teuer, der Steuerzahler hat ein Recht zu wissen, was da vorgeht.»

Inzwischen hat sich die KESB aus dem Fall zurückgezogen. «Weil ich mich gewehrt habe, ist die Sache eskaliert», sagt Jenny. «Für die Behörden bin ich jetzt die Böse. Sie verlangen von den Eltern, dass sie alles machen, was sie sagen – sonst bekämpfen sie sie und jagen ihnen Angst ein. Das ist ungeheuerlich!»

Die Schriftstellerin hat Fälle von anderen Eltern gesammelt, die Probleme mit den Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden haben. Fälle von Müttern und Vätern, denen die Kinder weggenommen wurden (SonntagsBlick berichtete). Fälle von Kindern, die gar mit Polizeigewalt von ihren Eltern entfernt wurden. Fälle von Vätern, die vor den Augen der Kinder abgeführt wurden. Immer steht dabei die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde im Zentrum der Kritik. Als die KESB am 1. Januar 2013 die Vormundschaftsbehörden in der Schweiz ersetzten, sollte der Kinderschutz professionalisiert werden (siehe Box). Nicht länger sollten Laien über Gefährdung und Wohl von Kindern entscheiden, sondern Profis. Doch die Kritik an den KESB wächst. Sie eröffnen mehr Fälle als die Vorgänger-Behörden. Die Kosten explodieren. Zudem gibt es kaum Kontrollinstanzen.

«Ich liebe dieses Land. Aber diese Behörden sind eine Schande für die Schweiz», sagt Zoë Jenny erbost. «Sie kümmern sich nicht um das Wohl der Kinder! Mein Fall war vergleichsweise harmlos, bei anderen geht es um viel mehr.» Etwa darum, ob die Kinder bei den Eltern bleiben können. Bei solch wichtigen Entscheidungen dürften keine Fehler passieren: «Da müssen absolute Profis sitzen.» Dass Behörden massiv in Familienangelegenheiten eingreifen, sei «eine gefährliche Tendenz. Da muss man politisch Einhalt gebieten.»

Jenny hat darum die Webseite www.kindergerechte-justiz.ch ins Leben gerufen. Sie will Eltern vernetzen, die Probleme mit den KESB haben – und ihnen die Möglichkeit geben, an die Öffentlichkeit zu gehen. «Wir sammeln Fälle und geben Tipps, wie man Beschwerden macht.» Zudem will sie Unterschriften für eine Initiative sammeln. Diese soll zwingende Standards festschreiben: «Alle Personen die über Kinder Entscheidungen treffen – ob Richter, Beamte oder Beistände – müssen über Fachkenntnis verfügen», fordert Jenny. «Es darf nicht sein, dass irgendwelche Laien über das Wohl von Kindern entscheiden. Kinder sind keine Mehlsäcke, die man einfach nach Belieben rumschieben kann.»

Die KESB Ausserschwyz will sich zum Fall Jenny nicht äussern – «weil hier ein Verfahren hängig ist», wie KESB-Vorsteher Michael Felber gegenüber SonntagsBlick sagt. Die Betroffenen könnten Entscheide der Behörde anfechten. Die Mitarbeiter könnten mit Kindern umgehen: «Sie sind geschult und haben langjährige Erfahrungen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?