Das coole Image von E-Zigaretten ist nicht mehr intakt. Während die Hersteller ihre Verdampfer als gesündere Alternative zu herkömmlichen Zigaretten anpreisen, werden in den USA täglich Konsumenten mit schweren Lungenschäden in Spitäler eingeliefert. Mehr als 2000 Raucher mussten bereits behandelt werden, 47 starben.
In der Schweiz wurde bisher nur ein Verdachtsfall öffentlich bekannt. Eine 44-jährige Raucherin von E-Zigaretten kam im Januar mit schweren Atemproblemen notfallmässig ins Kantonsspital Winterthur ZH. Der behandelnde Lungenarzt Macé Schuurmans: «Sie hatte bei kleinster Belastung schwere Atemnot, Auswurf und eine sehr, sehr schlechte Lungenfunktion. Es war dringend.»
Jetzt zeigt sich: Das war nicht der einzige Fall. Auch am Kantonsspital Schaffhausen musste 2018 eine von einer Vergiftung betroffene Person behandelt werden.
Kein Verdachtsfall, sondern ein klarer Fall
Über Hintergründe und Einzelheiten wollen die Verantwortlichen nicht informieren. Lukas Feurer, Mediensprecher des Kantonsspitals Schaffhausen, verweist auf den Patientenschutz und sagt lediglich: Laut der leitenden Pneumologin sei dies kein Verdachtsfall gewesen, sondern «ein ziemlich klarer Fall».
Umso erstaunlicher ist, was das für E-Zigaretten zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) auf seiner Webseite schreibt. Vor dem Hintergrund der Ereignisse in den USA steht dort: «Informationen über ähnliche Krankheitsfälle in der Schweiz liegen derzeit keine vor.»
Anfrage beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Dort antwortet Daniel Koch, Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten. Er sagt: «Bisher haben wir hierzulande keine Kenntnis von Vergiftungen.» Konfrontiert mit den Fällen in Winterthur und Schaffhausen räumt er ein: «Es kann sein, dass Einzelfälle auch in der Schweiz vorkommen.»
Kein zentrales Register in der Schweiz
Kann sein? Laurent Nicaud, Präsident des Verbands der Lungenärzte, erstaunt das amtliche Unwissen nicht. Er kritisiert, dass in der Schweiz kein zentrales Register existiert, in dem Verdachtsfälle gesammelt werden. Und er fordert: «Wir brauchen ein nationales Überwachungssystem.» Nicaud schlägt vor, dass das BAG eine Meldestelle für Vergiftungen mit E-Zigaretten einrichtet. Denn die heutigen Informationswege seien zu lang, zu kompliziert und zu undurchsichtig.
Doch das BAG winkt ab. Daniel Koch verweist auf die Kantonsärzte, die Vorkommnisse regional sammeln würden. Für eine Meldepflicht, wie sie für übertragbare Krankheiten bestehe, gebe es derzeit keine gesetzliche Grundlage.
Die Ärzte, die den inzwischen genesenen Patienten in Schaffhausen behandelt haben, arbeiten den Fall nun wissenschaftlich auf.
Sind THC-haltige Liquids Schuld?
Noch ist nicht vollständig geklärt, was die schweren Lungenprobleme bei Rauchern von E-Zigaretten verursacht. US-Ärzte vermuten, dass ein aus Vitamin E gewonnenes Öl dafür verantwortlich sein könnte, wie es THC-haltigen Liquids häufig zugesetzt wird, um diese anzudicken.
Klar ist: Bei den meisten Betroffenen begannen die Beschwerden mit Atemproblemen und Brustschmerzen. Innerhalb weniger Tage können die Symptome so stark werden, dass die Erkrankten künstlich beatmet werden müssen. Der Fall von Schaffhausen dürfte auch den Druck auf die Politik erhöhen. Im nächsten Jahr berät das Parlament über das neue Tabakproduktegesetz. Dieses soll neu auch für E-Zigaretten gelten, was deutlich strengere Werbe- und Verkaufsregeln zur Folge hätte. Die Hersteller haben bereits eine Lobbying-Offensive dagegen gestartet.
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