Ruag-Munition in Syrien
IS tötet mit Schweizer Handgranaten

Aktuelle Bilder aus Syrien zeigen: IS-Terroristen sind im Besitz von Schweizer Handgranaten. Trotzdem will der Bundesrat Waffenlieferungen an Kriegsländer erlauben.
Publiziert: 02.09.2018 um 01:59 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2019 um 13:52 Uhr
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Bei IS-Terroristen in Syrien gefunden: Schweizer Ruag-Handgranaten des Typs OHG92 und HG85.
Foto: ZVG
Fabian Eberhard

Der Bundesrat will Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a der KMV ändern. Tönt harmlos, ist es aber nicht. Der Detail-Paragraf verbietet den Export von Rüstungsgütern in Staaten, die in einen internen, bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Nun soll diese Exportschranke fallen. Das bedeutet: In Zukunft würde die Schweiz auch Waffen an Bürgerkriegsländer verkaufen.

Mitten in die Debatte über diese Verordnungsänderung platzen nun brisante Fotos aus Syrien. Sie zeigen: Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hortet Schweizer Handgranaten.

Die SonntagsBlick-Recherchen führen nach Nayrab, ein Dorf in der syrischen Provinz Idlib. Das Gebiet ist die letzte Hochburg der Anti-Assad-Rebellen, mehrheitlich kontrolliert von der Dschihadisten­allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Deren Kämpfer liefern sich heftige ­Gefechte mit der Armee des syrischen Diktators und bekriegen gleichzeitig die ­Terroristen des IS.

Am 8. August griff die HTS in Nayrab eine IS-Schläferzelle an. Sie erschoss mehrere Islamisten und raubte ihnen ein Waffenarsenal. Auf ­ihrem eigenen Newskanal präsentierte die HTS Fotos der Beute. Selbstgebastelte Bomben, Gewehre, Sprengstoffgürtel.

Granaten aus der Schweiz

Und: Schweizer Handgranaten des Typs OHG92 und HG85. Die Granaten stammen aus der Waffenschmiede des bundeseigenen Rüstungsbetriebs Ruag und richten im Umkreis von mehreren Dutzend Metern grosse Zerstörung an.

Mehrere Waffenspezialisten bestätigen, dass es sich bei den Handgranaten um die besagten Schweizer Produkte handelt. Nic ­Jenzen-Jones, Direktor des renommierten australischen Waffenanalysezentrums Ares, sagt: «Sämtliche Merkmale der Handgranaten auf dem Foto stimmen mit denjenigen der Ruag-Produkte überein.»

Auch Ruag-Sprecher Clemens Gähwiler muss eingestehen: «Aufgrund der Bilder gehen wir davon aus, dass die Handgranaten in der Schweiz bei Ruag hergestellt wurden.» Gleich­zeitig betont er: Die Ruag halte sich strikt an die Exportvorschriften der Schweiz. Und: «Waffen gehören nicht in die Hände von Terroristen.»

Wie also kamen die Granaten zum IS nach Syrien? Mit Sicherheit lässt sich das nicht sagen. Die Seriennummern sind auf den Fotos nicht erkennbar. Wahrscheinlich aber ist, dass die Munition Teil einer Lieferung war, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Jahr 2003 bewilligte. Damals verkaufte die Ruag 225'000 Handgranaten an die Armee der Vereinigten Arabischen Emirate.

Auch die Al-Kaida hatte sie

Bereits 2012 tauchten Bilder auf, die die Schweizer Handgranaten in den Händen syrischer Rebellen zeigten: Sowohl bei Soldaten der Freien Syrischen Armee als auch an der Weste eines Al-Kaida-Kämpfers.

Abklärungen des Seco ergaben daraufhin, dass die Emirate einen Teil der Granaten verbotenerweise nach Jordanien weitergaben und sie von dort aus ins syrische Kriegsgebiet gelangten. Ruag-Sprecher Gähwiler: «Es besteht der starke Verdacht, dass es sich bei den abgebildeten Handgranaten um Teile dieser Lieferung handelt.»

Nach Bekanntwerden des Granatenskandals verfügte der Bund einen kurzzeitigen Waffen-Exportstopp an die Emirate, setzte diesen allerdings schon bald wieder aus.

Heute liefert die Schweiz dem Wüstenreich wieder Rüstungsgüter, obwohl laut Seco Grund zur Annahme besteht, dass diese im blutigen Jemen-Konflikt zum Einsatz kommen könnten. Im ersten Halbjahr 2018 verkauften Schweizer Waffenfirmen den Emiraten Munition für Fliegerabwehrsysteme der Armee sowie Hand- und Faustfeuerwaffen für Private im Wert von knapp zehn Millionen Franken.

GSoA: «Ein grosses Sicherheitsrisiko»

Die aktuellen Bilder von Ruag-Handgranaten im ­Besitz von IS-Kämpfern feuern die Debatte um die Ausweitung der Schweizer ­Waffenexporte weiter an. Lewin Lempert von der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) sagt: «Das zeigt deutlich, dass Waffenlieferungen in Krisenregionen ein grosses Sicherheitsrisiko sind.» Er ist überzeugt: «Fälle, in denen Schweizer Waffen bei Terrorgruppen landen, werden in Zukunft noch häufiger vorkommen.»

Unterstützung erhalten die Militärkritiker der GSoA von bürgerlichen Politikern. CVP-Präsident Gerhard Pfister: «Es ist politisch unnötig, die Exportmöglichkeiten für Waffen weiter auszudehnen.» Und BDP-Chef Martin Landolt: «Die Handgranaten bei den IS-Terroristen sind ein Musterbeispiel dafür, wie unkontrollierbar Schweizer Waffenlieferungen an Konflikt-Länder sind.»

Krieg in Syrien

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
KEYSTONE/AP/STR

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

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