Rechtsexperte über die Methoden von Intrum Justitia
Wie reagiert man auf Druck vom Inkasso-Büro?

Inkasso-Unternehmen treiben Geld oft mit zweifelhaften Methoden ein. Wie muss man als Schuldner vorgehen?
Publiziert: 27.11.2017 um 21:09 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:55 Uhr
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Selina M. wollte bei Sunrise einen Handyvertrag abschliessen.
Marlene Kovacs

Der Fall von Selina M. bewegt. Die 25-Jährige wollte bloss ihr Handy-Abo verlängern. Doch sowohl Salt als auch Sunrise liessen das nicht zu. Laut ihrer Datenbank hat M. einen Vormund. Die falschen Informationen stammen von der Inkassofirma Intrum Justitia (BLICK deckte den Fall auf).

Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) beschäftigt sich häufig mit Inkasso-Firmen wie Intrum Justitia. Rechts-Experte Samuel Urwyler (24) erklärt, wie man vorgeht, wenn man mit ihnen zu tun hat.

Rechts-Experte Samuel Urwyler von der Stiftung für Konsumentenschutz.
Foto: zVg

Was sagen Sie aktuellen Fall von Selina M.?
Vorliegend hat das Inkassobüro einen grossen Fehler gemacht. Das darf nicht passieren. Besonders erschreckend ist jedoch, dass Intrum Justitia erst auf das Anliegen von Selina M. einging, als sich der BLICK für die Konsumentin einsetzte. Dem Konsumentenschutz fällt regelmässig auf, dass Inkassobüros nicht kooperativ sind.

Falsche Personendaten im System: Was sind die Folgen? 
Ein solcher Eintrag in der Bonitäts-Datenbank kann die betroffenen Personen im Vertragsalltag, auch ungerechtfertigterweise, einschränken. Zum Beispiel bei Onlineverträgen, Abonnements, Mietverträgen und anderen. Das meiste betrifft das Online-Shopping. Man muss dann beispielsweise per Vorkasse bezahlen. Sehr ärgerlich ist es, wenn es solche Bezahl-Alternativen bei einer Firma nicht gibt. Dann ist man praktisch aus dem Online-Einkauf ausgeschlossen.

Was kann man dagegen tun?
Konsumenten haben das Recht, ihre Daten bei Inkassobüros oder Bonitäts-Datenbanken löschen zu lassen. Ein solcher Musterbrief befindet sich auf der Website der SKS. Sollte die Inkassofirma nicht darauf eintreten, so hat man die Möglichkeit, den eidgenössischen Datenschutzbeauftragten zu kontaktieren.

Was ist die genaue Aufgabe von Inkasso-Büros?
Es sind private Unternehmen, die im Auftrag von Firmen oder Privatpersonen von Schuldnern Geld eintreiben. Die Methoden von Inkasso-Unternehmen sind dabei oft zweifelhaft und einschüchternd. Sie bedrängen Menschen mit Schreiben oder per Telefon. Oder fordern Kosten unter Androhung einer Betreibung an, obwohl diese gar nicht bezahlt werden müssten.

In der Schweiz kann jeder jeden betreiben. Das auch ohne Grund. Wenn der Schuldner die Schuld innerhalb von zehn Tagen nicht bestreitet, dann hat er einen Betreibungseingang. Aber auch wenn er dagegen vorgeht, bleibt der Eintrag bestehen – mit dem Vermerk, dass er Rechtsvorschlag erhoben hat. Die Gegenseite muss erst dann beweisen, dass der Schuldner wirklich Geld schuldet.

Wie reagiert man am besten auf Druck vom Inkasso-Büro?
Wichtig ist es, als Schuldner hartnäckig zu bleiben und nicht auf alles einzugehen, was die Inkasso-Büros verlangen. Als erstes empfiehlt es sich, den Musterbrief für Verzugsschaden von der SKS auszufüllen und eingeschrieben zu schicken. Auch sollte man alles schriftlich festhalten und die unbestrittene Hauptschuld so schnell wie möglich bezahlen.

Den Rest der Forderung hingegen sollte der Schuldner bestreiten. Wenn dann noch weitere Schreiben mit Geldforderungen des Inkasso-Büros folgen, ist es das beste, nicht darauf einzugehen. Man kann noch einmal einen Brief schicken, in dem man die Forderung bestreitet. Das Restrisiko dabei bleibt aber, dass das Inkasso-Büro ungerechtfertigterweise eine Betreibung einleitet.

Was sind typische Fälle, um die sich der Konsumentenschutz kümmert?
Zurzeit ist bei der SKS kein ähnlicher Fall wie der von Selina M. bekannt. Jedoch werden täglich Beschwerden bezüglich des Verzugsschadens gemeldet, welcher von den Inkassobüros erhoben wird, obwohl dieser nicht geschuldet wird.

Muss man die zusätzlichen Kosten, die aufgebrummt werden, bezahlen? 
Die Verzugszinsen müssen nach Art. 104 Obligationenrecht bezahlt werden. Ein Verzugsschaden gemäss Art. 106 OR muss vom Gläubiger nachgewiesen werden. Ein solcher Beweis wird praktisch nie gelingen. Deshalb muss der Verzugsschaden nicht bezahlt werden. 

Gab es bereits politische Forderungen, um Firmen wie Intrum Justitia einzudämmen?
Der SKS sind keine politischen Forderungen bekannt, um das Inkasso einzudämmen. Es gab jedoch diverse politische Vorstösse bezüglich des Verzugsschadens und des Eintrags ins Betreibungsregister. 

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Die Ärgerliste des Jahres 2016 – und was Sie dagegen tun können

1. Telefonverkäufer – 4374 Fälle
Sie sind das grösste Ärgernis im Schweizer Konsumalltag: Callcenter, die Konsumenten trotz Sterneintrag im Telefonbuch mit ihren Werbeanrufen belästigen, heisst es bei der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Oder ihnen einen ungewollten Kaufvertrag unterjubeln. 
So wehren Sie sich: «Installieren sie den Werbefilter der Swisscom beim Festnetz, melden Sie uns Gesetzesbrecher per Onlineformular», sagt Konsumentenschützerin Sara Stalder.

2. Elektronik-Händler – 3656 Fälle
Immer dieser Garantie-Ärger: Der Drucker muss schon wenige Monate nach dem Kauf in die Reparatur und funktioniert auch später nicht wie versprochen. Dennoch weigert sich der Händler, den Drucker auszutauschen. Oder: Der Handy-Hersteller zahlt trotz laufender Garantie die Reparatur nicht. Er behauptet, der Kunde habe den Schaden verursacht. Der Hersteller spekuliert darauf, dass es dem Besitzer zu mühsam ist, das Gegenteil zu beweisen.
So wehren Sie sich: «Beharren Sie standhaft auf Ihrem Recht und melden Sie die Verweigerer. Diese müssen ihrer gesetzlichen und vertraglichen Pflicht nachkommen. Da gibt es kein Wenn und Aber!»

3. Wettbewerbsverzerrer – 1968 Fälle
Ein Single meldet sich auf einer ausländischen Dating-Plattform an. Der Online-Anbieter wirbt mit kostenloser Nutzung, um einen Konkurrenzvorteil zu erlangen. Will der Single das Angebot effektiv nutzen, flattert ihm jedoch eine Rechnung mit Abo-Gebühren ins Haus.
So wehren Sie sich: «Bezahlen Sie nichts, was Sie nicht bestellt haben. Auch wenn Ihnen unbewusst ein Vertrag untergejubelt werden soll – das geht nach Gesetz nicht.»

4. Inkasso-Firmen – 1409 Fälle
Eine Rechnung geht verloren. Die Mahnung, die dann eintrifft, stammt nicht vom eigentlichen Gläubiger, sondern von einem Inkasso-Büro. Solche Firmen gehen knallhart vor. Manche verlangen nicht nur Verzugszinsen, sondern machen einen zusätzlichen «Verzugsschaden» geltend. Das ist illegal. Und dann drohen sie noch mit einer Betreibung. Negative Beispiele laut SKS: Intrum Justitia, EOS Schweiz AG, Inkassolution. 
So wehren Sie sich: «Nicht einschüchtern lassen. Ungerechtfertigte Beträge wie diesen unsäglichen Verzugsschaden müssen Sie nicht bezahlen.»

5. VW-Dieselverkäufer – 1373 Fälle
Ein VW-Kunde will seinen vom Dieselskandal betroffenen Audi verkaufen. Unmöglich – oder nur mit starkem Preisnachlass. Andere nerven sich, dass der Motor nach dem Software-Update komische Geräusche von sich gibt oder dass sie keinen Schadenersatz erhielten.
So wehren Sie sich: «Schreiben Sie sich auf unserem Gruppenvergleichs-Portal Stichting Car-Claim ein. Das haben europaweit bereits hundertausend Betroffene gemacht.» 

6. Telekom-Firmen – 1369 Fälle
Anbieter von Mobiltelefonie sind in diesem Jahr besondere Nervensägen. Die häufigsten Reklamationen betreffen laut SKS Salt und M-Budget. Die Rede ist von Abo-Fallen, ungerechtfertigten oder nicht nachvollziehbar hohen Roaming-Kosten.
So wehren Sie sich: «Kontrollieren Sie jede Rechnung. Notfalls können Sie an die Schlichtungsstelle Ombudscom gelangen.» (rzu)

1. Telefonverkäufer – 4374 Fälle
Sie sind das grösste Ärgernis im Schweizer Konsumalltag: Callcenter, die Konsumenten trotz Sterneintrag im Telefonbuch mit ihren Werbeanrufen belästigen, heisst es bei der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Oder ihnen einen ungewollten Kaufvertrag unterjubeln. 
So wehren Sie sich: «Installieren sie den Werbefilter der Swisscom beim Festnetz, melden Sie uns Gesetzesbrecher per Onlineformular», sagt Konsumentenschützerin Sara Stalder.

2. Elektronik-Händler – 3656 Fälle
Immer dieser Garantie-Ärger: Der Drucker muss schon wenige Monate nach dem Kauf in die Reparatur und funktioniert auch später nicht wie versprochen. Dennoch weigert sich der Händler, den Drucker auszutauschen. Oder: Der Handy-Hersteller zahlt trotz laufender Garantie die Reparatur nicht. Er behauptet, der Kunde habe den Schaden verursacht. Der Hersteller spekuliert darauf, dass es dem Besitzer zu mühsam ist, das Gegenteil zu beweisen.
So wehren Sie sich: «Beharren Sie standhaft auf Ihrem Recht und melden Sie die Verweigerer. Diese müssen ihrer gesetzlichen und vertraglichen Pflicht nachkommen. Da gibt es kein Wenn und Aber!»

3. Wettbewerbsverzerrer – 1968 Fälle
Ein Single meldet sich auf einer ausländischen Dating-Plattform an. Der Online-Anbieter wirbt mit kostenloser Nutzung, um einen Konkurrenzvorteil zu erlangen. Will der Single das Angebot effektiv nutzen, flattert ihm jedoch eine Rechnung mit Abo-Gebühren ins Haus.
So wehren Sie sich: «Bezahlen Sie nichts, was Sie nicht bestellt haben. Auch wenn Ihnen unbewusst ein Vertrag untergejubelt werden soll – das geht nach Gesetz nicht.»

4. Inkasso-Firmen – 1409 Fälle
Eine Rechnung geht verloren. Die Mahnung, die dann eintrifft, stammt nicht vom eigentlichen Gläubiger, sondern von einem Inkasso-Büro. Solche Firmen gehen knallhart vor. Manche verlangen nicht nur Verzugszinsen, sondern machen einen zusätzlichen «Verzugsschaden» geltend. Das ist illegal. Und dann drohen sie noch mit einer Betreibung. Negative Beispiele laut SKS: Intrum Justitia, EOS Schweiz AG, Inkassolution. 
So wehren Sie sich: «Nicht einschüchtern lassen. Ungerechtfertigte Beträge wie diesen unsäglichen Verzugsschaden müssen Sie nicht bezahlen.»

5. VW-Dieselverkäufer – 1373 Fälle
Ein VW-Kunde will seinen vom Dieselskandal betroffenen Audi verkaufen. Unmöglich – oder nur mit starkem Preisnachlass. Andere nerven sich, dass der Motor nach dem Software-Update komische Geräusche von sich gibt oder dass sie keinen Schadenersatz erhielten.
So wehren Sie sich: «Schreiben Sie sich auf unserem Gruppenvergleichs-Portal Stichting Car-Claim ein. Das haben europaweit bereits hundertausend Betroffene gemacht.» 

6. Telekom-Firmen – 1369 Fälle
Anbieter von Mobiltelefonie sind in diesem Jahr besondere Nervensägen. Die häufigsten Reklamationen betreffen laut SKS Salt und M-Budget. Die Rede ist von Abo-Fallen, ungerechtfertigten oder nicht nachvollziehbar hohen Roaming-Kosten.
So wehren Sie sich: «Kontrollieren Sie jede Rechnung. Notfalls können Sie an die Schlichtungsstelle Ombudscom gelangen.» (rzu)

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