In rund 150 katholischen Gottesdiensten hat Thomas Hotz (55) nach eigenen Angaben bislang protestiert. Stets nach demselben Muster: Vor Beginn der Predigt steht der Seelsorger auf und schreitet den Mittelgang nach vorne, wo er stehend und schweigend ausharrt.
Phasenweise postiert sich Hotz gar unmittelbar vor den Geistlichen und versperrt den anderen Messebesuchern damit die Sicht. «Manchmal geht ein Raunen durch die Kirchenbänke, aber für ein Alarmsignal braucht es eine gewisse Störung. Mein Vorgehen ist massvoll», beschreibt es der Protestierende.
Hotz protestierte bei zahlreichen Gelegenheiten
Seit fünf Jahren geht das so. Häufig in der Kathedrale von St. Gallen, aber auch in anderen Kirchen im Kantonsgebiet tritt Hotz in Aktion. Besonders dort, wo Bischof Markus Büchel (70) auftritt. Und an wichtigen Feiertagen wie Weihnachten, Ostern oder auch während Firmungen.
«Ich verlange von der Bistumsleitung ein Ja zum faktenorientierten Dialog. Mein Protest ist ein Hilfeschrei», erklärt Thomas Hotz. Er fordert, dass sich die Kirchenverantwortlichen mit ihm zusammensetzen, um seine berufliche Situation zu besprechen.
Denn im Frühjahr 2014 endete seine Anstellung als Pastoralassistent in der Kirchgemeinde Eggersriet-Grub, und zwar sehr unschön. «Man entliess mich aufgrund vager Behauptungen. Mir wurde etwa vorgeworfen, ich sei kontaktschwach», ärgert sich Hotz. Niemand habe ihm bis heute sagen können, was genau er falsch gemacht haben soll.
Verurteilung wegen angeblicher Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit
Wegen der Entlassung wird dem Seelsorger durch Bischof Markus Büchel (70) auch die «Missio» entzogen, die Ermächtigung zur Dienstausübung in der katholischen Kirche. «Die Entlassung bedeutete für mich ein faktisches Tätigkeitsverbot. Seither habe ich nirgends mehr eine Anstellung gefunden», sagt Hotz.
Neben Klagen bis vor Bundesgericht verzeigte der geschasste Pastoralassistent die Bistumsleitung inzwischen wegen Verleumdung. Diese liess beim Kreisgericht St. Gallen ihrerseits eine Verfügung erwirken, die Thomas Hotz die Stehproteste während der Gottesdienste untersagt.
Weil er sich nicht daran hielt, wurde Hotz nun kürzlich per Strafbefehl wegen Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit, versuchter Nötigung sowie Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen zu einer Busse verurteilt. Hotz will den Schuldspruch nicht akzeptieren: «Ich mache einen übergesetzlichen Notstand geltend und fordere, dass die Kirche faktenorientiert entscheidet.»
Von Kirchenseite her bleiben sämtliche Fragen offen
Ein von der Kirche mandatierter Anwalt betont auf Anfrage von BLICK hingegen, dass kein Berufsverbot bestehe und es Hotz freistehe, sich jederzeit und überall auf offene Stellen zu bewerben. Überhaupt sei die St. Galler Kantonalkirche, gegen die Hotz nun seit Jahren vorgehe, der falsche Ansprechpartner.
Für die Entlassung sei die Kirchgemeinde Eggersriet-Grub verantwortlich – Eggersriet liegt im Kanton St. Gallen, Grub in Appenzell Ausserrhoden. Doch dort bleiben sämtliche Fragen unbeantwortet. «Der Kirchenverwaltungsrat wurde per 1. Januar 2016 vollständig neu besetzt, weshalb aus jener Zeit niemand mehr im Amt ist», lautet die abenteuerliche Begründung.
Die Messe ist damit alles andere als gelesen. Hotz schwört: «Mein Protest geht weiter!»