Der Tipp kommt von einem Darknetfahnder der Polizei. Daraufhin durchsuchen Polizisten im letzten Juli die Wohnung und den Arbeitsplatz von René W.* (33) mitten in St. Gallen – wegen Verdacht auf Kinderpornos.
Das Bedenkliche: Von Berufes wegen ist René W. einer der wenigen Männer, die in einer Kindertagesstätte arbeiten. Sein Arbeitgeber, die Fiorino AG, beschwichtigt damals eine BLICK-Anfrage. «Der Verdacht kommt aus dem privaten Umfeld des ehemaligen Mitarbeitenden», so VR-Präsident Jacques Hefti (56).
Missbrauch trotz «Vier-Augen-Prinzip»
Es wird sogar entwarnt: Aus der Kita sei kein Fehlverhalten bekannt – und ohnehin seien Betreuer dank Vier-Augen-Prinzip mit den Kindern niemals alleine. Und bei intimen Tätigkeiten wie Wickeln bleibe die Tür immer offen.
Gestern nun muss der gleiche VR-Präsident an einer eigens einberufenen Pressekonferenz zurückkrebsen. Mit Tränen in den Augen sagt Hefti: «Ich bin sprachlos. Mir fehlen die Worte!»
Denn René W. ist ein Wolf im Schafspelz. Unter den Zehntausenden Kinderpornofotos und -videos, die auf seinem Rechner gespeichert sind, stossen die Ermittler kürzlich auch auf Eigenproduktionen. Daraufhin wirft die Staatsanwaltschaft dem inzwischen gefeuerten Betreuer vor, in seiner Kita mindestens ein Kind missbraucht zu haben. Von zwei weiteren Schützlingen soll er «sexuell motivierte Fotoaufnahmen» angefertigt – und im «privaten Rahmen» einen weiteren Missbrauch begangen haben.
Mindestens drei Delikte in der Kita
Die Opfer von René W. sind allesamt jünger als zwei Jahre. Sie werden den Pädo niemals selbst belasten können. Und W. selbst wird von Roman Dobler, dem Sprecher der Staatsanwaltschaft, als «nicht sehr kooperativ» beschrieben.
In Lutzenberg AR, wo René W. als Scheidungskind aufgewachsen ist, wird dieser als schräger Vogel beschrieben, der unter ADHS gelitten habe. Wegen seiner Hyperaktivität habe er schulische Probleme gehabt. Sein inzwischen verstorbener Vater habe ihn nie akzeptiert. «Weil er zwei linke Hände hat und seinen Betrieb nicht übernehmen konnte», wie eine Bekannte der Familie weiss.
Die Mutter eines anderen Buben im Dorf will einst den jungen René W. dabei erwischt haben, als dieser einem Knaben sein Geschlechtsteil zeigen wollte. Sie spricht von einem «Zwischenfall», aber keinem Missbrauch.
Mutter steht zu ihrem Sohn im Knast
«René wird jetzt einfach vorverurteilt», klagt derweil seine Mutter Lydia W.* (66) gegenüber BLICK. Dass ihr Sohn ein Pädo-Straftäter ist, kann sie kaum akzeptieren und sagt zu Treffen im Knast: «Bei meinen Besuchen darf ich mit ihm nicht darüber sprechen.»
Er, der unsichere, aber liebevolle Typ, habe immer um Aufmerksamkeit und Anerkennung gerungen, sagen seine Freunde. Wohl deshalb wollte er sich neben dem Job als Kopf einer Heavy-Metal-Band, Poetry Slammer, Theaterschauspieler und Fotograf profilieren.
Zu seinem Beruf als Kinderbetreuer kommt W. auf dem zweiten Bildungsweg: Die Lehre macht er in den Kitas von Fiorino, für die er seit 2017 nach einem Unterbruch wieder arbeitet. Daneben nimmt er auch privat Aufträge als Babysitter an.
Bizarr: Um sich Aufträge zu ergattern, gibt sich W. gar als Frau aus. Er rechtfertigt sein Vorgehen gegenüber Interessenten damit, als männlicher Betreuer immer unter Generalverdacht zu stehen.
In der Öffentlichkeit machte er auf Saubermann
Aus demselben Grund geht René W. vor einigen Jahren als Anti-Pädo-Missionar sogar an die Öffentlichkeit. Man dürfe Männer in Kita-Berufen nicht als Pädophile abstempeln, so seine Forderung. «Eine Mutter sagte zur Gruppenleiterin, sie möchte nicht, dass ich ihr Kind wickle – man wisse ja nie», klagte René W. auch im SonntagsBlick.
Alles Fassade, wie jetzt auch Kita-Chef Jacques Hefti weiss: «Es gibt Täter, die solche Strategien benutzen.» Er hoffe jetzt inständig, dass es keine Dunkelziffer gebe. Denn bis jetzt konnten nur Fälle bewiesen werden, in denen sich W. selbst gefilmt hat. Gestern Abend fand in der betroffenen Kita ein Informationsanlass für besorgte Eltern statt.
* Name geändert