Ihr Meldegang auf einem Polizeiposten im Thurgau endete im Drama. Angie K.* (45) hat auf der Wache einen Termin mit einer Psychologin – als ihr ihre Tochter Nora** (4) weggenommen wird. Fünf Polizisten flankieren die unfreiwillige Trennung von Mutter und Kind. «Es fühlte sich an, als würde jemand einem das Herz herausreissen. Ich schrie wie am Spiess nach meiner Tochter», beschreibt Angie K.* (45) die Szene.
Das Absurde: In ihrem Job als Tagesmutter beaufsichtigt K. acht Kinder – nun hat ausgerechnet sie das Sorgerecht für ihr eigenes verloren. Nicht, weil die Schweizerin ein schlechtes Mami wäre, sondern wegen Zoff mit ihrem Ex Martin A.* (39), dem Vater ihrer Tochter. Zu ihm nach Deutschland wurde Nora nun überstellt.
Rückführung lief wie Entführung ab
«Die Kantonspolizei Thurgau handelt beim Vollzug von Gerichtsentscheiden verhältnismässig und so rücksichtsvoll wie möglich», sagt Mediensprecher Andy Theler zum Einsatz. Die vielen Beamten seien nötig gewesen, um eine Gefährdung von Mutter und Kind zu verhindern. Für Angie K. fühlt sich die Rückführung dennoch wie eine Entführung an: «Ihr Zahnbürsteli, das Pyjama, das Spielzeug – alles ist noch da.»
Das Oberlandesgericht Dresden hat ein klares Urteil gefällt: Als «hoch eskalierter Elternkonflikt» wird der Fall umschrieben. Und: Mutter K. sei «bindungsintolerant» und verhindere eine Beziehung zwischen Vater und Tochter. Hintergrund der Eskalation: Angie K. entschliesst sich im Sommer 2017 zu einer Rückkehr in die Schweiz. Einerseits, um ihren Vater (77) zu pflegen, aber auch, weil sie es in Deutschland nicht mehr aushielt: «Der Streit hat mich aufgefressen.»
In Dresden (D) das alleinige Sorgerecht erstritten
Der Kindsvater fackelt nicht lange: Er klagt in Dresden das alleinige Sorgerecht ein, beantragt die Rückführung seiner Tochter. Nun, nach anderthalb Jahren steht fest: Der Umzug des Mädchens war illegal. Angie K. dazu: «Ihm geht es nicht um Nora. Er will einfach mich demütigen.» Tatsächlich: Aus den deutschen Akten geht hervor, dass es zwischen Nora und dem Vater bereits kaum Kontakte gab, als das Mädchen noch in Dresden lebte.
Noch irritierender ist ein Video, das die Mutter BLICK zeigt: Man sieht Angie K. im Januar beim Versuch, Nora für einige Stunden an den Vater zu übergeben. Das Mädchen schreit sich die Seele aus dem Leib, lässt sich nicht beruhigen. «Sie hatte danach tagelang Panikanfälle. Da kann mir niemand sagen, dass es hier ums Kindeswohl geht», sagt Angie K.
Urteil des Thurgauer Obergerichts stützt Entscheid aus Deutschland
Im Urteil des Thurgauer Obergerichts heisst es dazu knapp: «Bei einer Rückführung ist das Kindeswohl nur beschränkt zu beachten.» Wesentlich waren demnach die Entscheide in Dresden. Diese beziehen sich wiederum auf eine Sachverständige, die bei einer Trennung von Mutter und Tochter «keine Konsequenzen für die Entwicklung» des Kindes erwartet.
Was Nora möchte, spielt keine Rolle. Denn: Laut Urteil kann der Wille eines Kindes erst ab einem Alter von elf Jahren abgeklärt werden. «Von ihrem Mami entrissen zu werden, ist sicher nicht das Beste für meine Tochter», sagt Angie K. verständnislos.
Trotz ihrer Niederlage möchte sie den Fall in Deutschland nochmals aufrollen. Vater A. war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
*Name bekannt
**Name geändert