Begehung des Unglücksorts
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Lawinenunglück auf der Schwägalp:Begehung des Unglücksorts

BLICK-Reporter im zerstörten Schwägalp-Hotel
Das richtete die Lawine an

Gewaltige Schneemassen beschädigten am Donnerstagnachmittag Teile des Hotels Säntis. Drei Personen wurden durch die Lawine verletzt. Suchtrupps und Räumungsarbeiter kämpfen unermüdlich gegen die Schneemassen.
Publiziert: 10.01.2019 um 18:31 Uhr
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Aktualisiert: 11.01.2019 um 18:20 Uhr
  • Restaurant durch Schneemassen total zerstört, 20 Autos verschüttet
  • Drei Verletzte konnten Spital verlassen, keine Vermisstmeldungen
  • Alle Hotel-Gäste mit Bussen ins Tal gebracht
  • Am Sonntag soll es erneut einen Meter Neuschnee geben
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Die Wucht der Schneemassen ist im Restaurant des Hotels Säntis eindrücklich zu sehen.
Foto: Marco Latzer

Eine meterhohe Schneedecke füllt die Räumlichkeiten des Restaurants Schwägalp im Hotel Säntis bis unters Dach. Wo gestern noch die Tische für den Abendbetrieb gedeckt wurden, räumen heute Einsatzkräfte in orangen Uniformen mit Schaufeln die Schneemassen weg. Es sind mühselige Aufräumarbeiten nach dem Lawinenschock am Donnerstagnachmittag auf der Schwägalp AR.

Schnee, so weit das Auge reicht. Auch draussen vor dem Hotel. Bis zu zwanzig Autos wurden hier verschüttet. Ein Fahrzeug traf die weisse Welle mit voller Wucht und kehrte es aufs Dach. Suchtrupps kämpfen sich durch den 300 Meter breiten Schneekegel, suchen nach möglichen Verschütteten. Seit dem Donnerstagabend haben sie niemanden mehr gefunden.

Die Katastrophe passierte gegen 16.30 Uhr am Donnerstag: Die wenigen Gäste im Restaurant vernehmen ein unheimliches Grollen. Einige denken wohl daran, aber niemand rechnet wirklich damit, dass in dem Plateau unweit der Säntis-Bahn eine Lawine herunterkommen würde. Doch Sekunden später werden sie von der Naturgewalt überrascht.

«Das Restaurant ist kaputt»

Die Schneemassen fressen sich geradezu durch das halbe Hotel. Das Erdgeschoss wird geflutet. Fenster geben dem Druck nach, Scheiben klirren. Ein Postauto, das gerade vor dem Hotel steht, wird erfasst und an einen Pfosten gedrückt. Bei der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden geht in diesem Moment der Alarm ein. Die Rettungsdienste werden aufgeboten. Einsatzkräfte eilen zum Unglücksort. Denn die Schneemassen waren massiv, die Wucht enorm. «Der Lawinenkegel ist 300 Meter breit», erklärt danach Polizeisprecher Anton Sonderegger. 

Und die Schwägalp ist ein wahrer Touristenmagnet. Die Retter rechnen mit dem Schlimmsten. Schnell werden im Lawinenkegel drei Person geborgen. Wie durch ein Wunder sind sie nur leicht verletzt. Die bange Frage: Sind weitere Opfer unter den Schneemassen begraben? Die Einsatzkräfte wissen, dass jetzt jede Sekunde zählt. Im Hotel werden die geschockten Gäste in einen Konferenzraum gerufen und versorgt. Sofort wird die Gästeliste mit den Anwesenden abgeglichen. Man atmet auf: Im Haus wird niemand vermisst. Aber die Verwüstungen sind enorm. «Das Restaurant ist kaputt», sagte eine Mitarbeiterin des Hotels, das erst im Dezember 2015 eröffnet hat, zu BLICK. 

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Die Lawine löste sich am Donnerstagabend.
Foto: Claudio Meier

Schnell sind Lawinenhunde und die alpine Rettungvor Ort. Rettungschef Heinz Beutler berichtet BLICK: «Wir haben von der SAC alles aufgeboten, was wir können.» Auch die Alpschaukäserei ist von der Lawine getroffen worden. Eine Angestellte bestätigt: «Wir sind schwer betroffen, ich muss mich jetzt um unsere Gäste kümmern.»

Gäste evakuiert

Am Abend nochmals Alarm am Berg. Die Suchaktion wird vorzeitig eingestellt, weil sich noch mal eine Lawine löst. Polizeisprecher Sonderegger: «Die Suche nach allfälligen Vermissten wird aber schnellstmöglichst wieder aufgenommen.»

Urs Berger (32), Geschäftsführer von Appenzellerland Tourismus AR, zeigt sich tief betroffen. «Es tut mir leid für die Verletzten, das ist tragisch», sagt er. «Für uns als Organisation und für die Region ist dieses wichtige Hotel das grösste und modernste Haus im Kanton.» Diese Zerstörung zu sehen, mache ihn traurig. Er habe derzeit viele Anfragen von Gästen, die sich nach den Bedingungen im Appenzellerland erkundigten. «Die Leute wollen in den Schnee. Da ist es natürlich schade, wenn so was genau dann passiert.» Das zerstörte Restaurant bleibt heute geschlossen, die Zufahrtsstrasse zum Hotel gesperrt.

Die Restaurant- und Hotelgäste welche die Schwägalp verlassen wollten, wurden in der Nacht mit Bussen ins Tal gefahren, teilt die Kantonspolizei am Freitagmorgen mit. Insgesamt 75 Personen sind nun weg. Zudem sei ein Ferienhaus in dem Gebiet vorsichtshalber evakuiert worden.

Die Gruppe, die am Freitag mit einem Postauto nach Urnäsch AR gefahren worden ist, hat untereinander abgemacht, dass sie nichts sagen. «Uns geht es gut, kein Grund zur Sorge. War alles halb so wild», meint ein Gast gegenüber BLICK. Eine Dame meint vielsagend: «Wir hatten schon wahnsinniges Glück.» So wie es aussieht, sind da über Nacht neue Freundschaften entstanden.

Am Sonntag solls einen Meter Neuschnee geben

Die Helfer haben die Suche am Freitagmorgen dennoch fortgesetzt. Polizeisprecher Sonderegger: «Um 7.30 Uhr werden SAC-Retter wieder auf die Schwägalp, und dort die Lage beurteilen», sagte er heute früh. Da es keine konkreten Hinweise auf vermisste Personen gebe, werde die Suchaktion gleich mit einer Aufräumaktion verbunden. «Wir können nicht ausschliessen, dass sich noch jemand ausserhalb des Hotels im Gebiet befand, als die Lawine runter ist», sagt Sonderegger weiter. Der Lawinenkegel wird mit Sonden durchsucht, bevor der Schnee weggeräumt wird. Die verbleibenden 30 Hotelgäste, welche auf der Schwägalp übernachteten, werden mit Bussen ins Tal gefahren.

Die Lawinensituation in der Gegend bleibt weiterhin angespannt. «Dort, wo die Lawine runter ist, ist die grösste Last weg. Kleinere Lawinen, die sich dort nun lösen, kommen nicht mehr bis zu den Häusern»,  sagt Sonderegger. Da am Sonntag bereits wieder ein Meter Neuschnee erwartet wird, müssen die Rettungsarbeiten schnell vorangehen.

Grosse Lawinengefahr in den Bergen
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Folge des vielen Neuschnees:Grosse Lawinengefahr in den Bergen
Es berichten: 
Marco Latzer, Nicolas Lurati, Georg Nopper, Flavio Razzino, Michael Sahli, Jan Krumnacker

 

 

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