Ein schwarzer Audi A4 brettert mehrfach durch eine Quartierstrasse im Westen der Stadt St. Gallen. Am Steuer sitzt Esteban F.* (13) – ein Kollege des Sechstklässlers filmt die Strolchenfahrt auf dem Beifahrersitz.
«Soll ich Vollgas geben?», fragt der Teenager am Steuer. Dann lässt er den Motor des Autos aufheulen und rast mit bis zu 50 km/h in die enge, unübersichtliche und mit vielen Parkplätzen gesäumte Sackgasse.
Mehrfach wendet Esteban F. den Audi. Es wird gelacht und gekichert. «Die Kupplung ist steckengeblieben», lacht der junge Spanier. «Mein linker Fuss zittert», fügt er später an. Und als den Buben klar wird, dass sie von jemandem beobachtet werden, sagt F. kaltschnäuzig: «Sollen sie doch glotzen, ist schon gut.»
Nachbarschaft ärgert sich über den Audi-Rowdy
In der Nachbarschaft, in der die Szenen entstanden, kursiert das Video der Buben seit geraumer Zeit. Offiziell gefilmt oder weitergeschickt will es aber niemand haben. Eine Anwohnerin ist wütend: «Der Bub fährt hier seit Jahren rum. Wenn er alleine daheim ist, schnappt er sich die Schlüssel und legt los.»
Die Familie besitzt mehrere Autos und Töffs. Was F. da treibe, sei lebensgefährlich, ärgert sich eine andere Anwohnerin. «Hier in der Sackgasse stehen drei Blocks, in denen viele Familien mit Kindern leben. Muss denn zuerst etwas passieren?»
Familie kann Ärger nicht nachvollziehen
Die Familie von Esteban F. lässt die Kritik an den illegalen Fahrten kalt. «Wir sind sehr stolz, dass unser Kind schon Autofahren kann», sagt Mutter Lucia F.* (50) dem BLICK. «Er hat es schon als kleiner Bub in Spanien gelernt», fügt sie an.
Die Aufregung in der Nachbarschaft kann die Mutter nicht verstehen. Da sei ganz viel Neid im Spiel, ist sie überzeugt. Und Papa Adriano F.* (50) fragt sich: «Wo liegt denn das Problem? Er fährt doch immer nur auf dem Privatgrundstück und geht nicht auf die richtige Strasse.» Es gebe schliesslich auch wesentlich jüngere Buben, die schon Traktor fahren würden.
Privatareal ist öffentlich zugänglich
Bei der Stadtpolizei St. Gallen sieht man die Sache auf Anfrage nicht ganz so locker: «Wir hatten von dem Video und dem Fall bisher keine Kenntnis», sagt Mediensprecher Dionys Widmer. «Da es sich um ein Offizialdelikt handeln könnte, haben wir nun von Amtes wegen Ermittlungen aufgenommen.»
Die Sackgasse, in der gefahren wurde, gehört zwar tatsächlich zu einem Privatareal, ist aber öffentlich zugänglich. Es muss mit anderen Autos und spielenden Kindern gerechnet werden. Konkret: Wer hier fährt, dürfte sehr wohl einen Führerausweis brauchen. Und den gibt es in der Schweiz bekanntlich erst ab 18 Jahren.
«Er ist reif für sein Alter!»
Davon ist Esteban F. noch weit entfernt. «Er ist sehr reif für sein Alter. Klar, es war eine Kinderdummheit. Das war nicht gut, aber wirklich schlimm ist es auch nicht», findet Mutter Lucia. Und wenn der Filius einen Unfall baut oder gar jemanden tötet? «Ich glaube nicht, dass so etwas in dieser Strasse passieren kann!»
*Namen geändert