Jetzt kommt wieder einiges hoch bei Mili Kusano. Jetzt, wo die Untersuchung der Unabhängigen Expertenkommission (UEK) langsam zu Ende geht, und sich zeigt, dass Zehntausende davon betroffen waren. Trotzdem: Aus der Bahn wirft es die 63-Jährige nicht mehr. Sie war 15 Jahre lang in Therapie. «Ambulant, nicht stationär» – das zu betonen, ist ihr ganz wichtig. Sie verbrachte als Jugendliche zwei Monate in einer Psychiatrie, bevor sie für Wochen in Isolationshaft kam. Nicht weil sie psychisch krank oder straffällig war. Und nicht, weil sie es so gewollt hätte. Die Behörden haben sie dort versorgt.
Mili Kusano ist Opfer von administrativer Versorgung. Und das ist nur ein kleiner Teil ihrer Leidensgeschichte. Schon als sie zehn, elf Jahre alt ist, stecken die Behörden sie immer wieder ins Gefängnis. Wenn sie fragt, weshalb, bekommt sie stets die gleiche Antwort: Du wirst ja wohl selber wissen, was du angestellt hast. Sie weiss es nicht, soll es aber viele Jahre später aus den Akten erfahren.
Gewaltexzesse in der Familie an der Tagesordnung
Sie hat schon das Pech, in eine zerrüttete Familie hineingeboren zu werden. Alkohol- und Gewaltexzesse waren an der Tagesordnung. Als die Eltern sich scheiden lassen, kümmert sich weder Mutter noch Vater um das Mädchen. Die junge Mili leidet unter Verwahrlosung und Gewalt. Und deshalb läuft sie oft weg – sie flüchtet.
Jedes Mal greift die Polizei Mili Kusano auf und steckt sie für einige Tage in eine Zelle. So geht das bis sie 16 ist. Mit 14 bringt man sie anschliessend sogar in die Psychiatrische Klinik Waldau in Bern. Dort teilt die völlig gesunde Jugendliche den Schlafsaal mit 20 psychisch schwer kranken Frauen. Zwischendurch präsentiert der Klinikdirektor sie im Anstaltshemd seinen Studenten – als Anschauungsbeispiel für eine vermeintlich psychisch Kranke.
Irgendwann hält man ihr einen Vertrag unter die Nase: Sie soll unterschreiben, dass sie zu Hause beim Vater zweimal pro Woche den Abfallsack rausbringt und einmal das Badezimmer putzt. «Sie soll die Hörner abstossen», liest sie später in einer Akte. Ihr wird klar: «Der Aufenthalt in der Klinik war eine reine Disziplinierungsmassnahme.» Genauso wie jener anschliessend in Isolationshaft.
Später bekommt sie einen Vormund
Weitere Schicksalsschläge folgen. Mili Kusano bekommt einen Vormund, der dafür sorgt, dass sie die Schule nicht abschliessen und keine weitere Ausbildung machen kann. Mit 20 heiratet sie – nur so wird sie den Vormund los. Zwei Ehen scheitern. Die Angst vor Behörden bleibt. «Ich glaubte, dass sie mir als Alleinerziehende die Kinder wegnehmen würden», sagt sie. Erst danach lernt sie einen liebevollen Mann kennen und gründet mit ihm eine Patchworkfamilie.
Während Mili Kusano in ihrer Wohnung in Bern über all das spricht, ist ihre Stimme etwas leiser als sonst. Und ihre Atmung etwas schwerer. Aber sie redet. Viele Jahre lang schwieg sie. Wenn in dieser Zeit andere schwärmerisch vom Kiffen, Freunden und Partys in ihrer Jugend erzählen, bleibt sie still. Ihr geht nur eines durch den Kopf: «Ich war so ein anständiges Kind und trotzdem sperrten sie mich ein.»
Lange schämt sie sich, erst jetzt geht es ihr gut
Bis sie 55 ist, verheimlicht sie ihre Vergangenheit. Das Stigma ist gross. «Ich schämte mich sehr dafür.» Das ändert sich erst, als sich Eveline Widmer-Schlumpf 2010 entschuldigt hat und 2014 das Bundesgesetz zur Rehabilitierung der Opfer der administrativen Versorgung in Kraft tritt. «Das erst brachte Befreiung vom Erlebten» sagt Mili Kusano. «Obwohl – vergessen kann man es nie.»
Heute geht es ihr gut. Heute verbringt sie viel Zeit mit ihren Kindern und Enkeln. Sie findet es schön, dass sie ihr diese anvertrauen. «Offenbar war ich trotz meiner Geschichte eine gute Mutter.»
Unter administrativer Versorgung versteht man die Praxis von Behörden, junge Männer und Frauen in Zwangsarbeitsanstalten, Psychiatrien, Strafanstalten oder Erziehungsheime einzusperren. Ohne dass diese eine Straftat begangen hätten. Nur weil sie gegen soziale Normen verstiessen. Mit den Massnahmen wollte man sie umerziehen. Diese Entscheide fielen nicht etwa Richter und Staatsanwälte. Sondern Hausfrauen, Buchhalter oder Bäcker am Feierabend als Gemeinderäte, Schulkommissionsmitglieder oder Vormünder.
Unter administrativer Versorgung versteht man die Praxis von Behörden, junge Männer und Frauen in Zwangsarbeitsanstalten, Psychiatrien, Strafanstalten oder Erziehungsheime einzusperren. Ohne dass diese eine Straftat begangen hätten. Nur weil sie gegen soziale Normen verstiessen. Mit den Massnahmen wollte man sie umerziehen. Diese Entscheide fielen nicht etwa Richter und Staatsanwälte. Sondern Hausfrauen, Buchhalter oder Bäcker am Feierabend als Gemeinderäte, Schulkommissionsmitglieder oder Vormünder.
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