Oberste Lehrerin der Schweiz will Klimastreiks nicht verbieten
«Wir sollten Greta dankbar sein»

Dagmar Rösler ist die neue Präsidentin des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer. SonntagsBlick hat sie erklärt, warum sie versteht, wenn Klimajugendliche keinen Sinn mehr darin sehen, die Schulbank zu drücken.
Publiziert: 07.09.2019 um 23:57 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2019 um 17:33 Uhr
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Dagmar Rösler ist die neue oberste Lehrerin der Schweiz.
Foto: Peter Gerber
Dana Liechti

Der Druck an den Schulen ist enorm. Nicht wenige Schüler schlucken Pillen für eine bessere Leistung.
Dagmar Rösler: Das finde ich beängstigend und alarmierend. Man muss immer wieder gut schauen, dass nebst all dem Wissen und Können auch die Kreativität und das Soziale in der Schule einen Platz haben.

Aber?
Auch die Lehrpersonen stehen unter Druck, zum Beispiel in den Gymnasien, weil sie ihre Schüler für die Uni vorbereiten müssen. Man steckt halt als Schule auch ein bisschen in diesem Getriebe fest und kann sich nicht einfach rausnehmen. Wir haben Vorgaben, die wir einhalten müssen.

Die Klimajugend kämpft lieber für die Zukunft des Planeten, als sich brav ins System einzugliedern. Viele sehen keinen Sinn mehr darin, in die Schule zu gehen.
Im Hinblick auf die Zukunft dieser Generation kann ich diese Haltung schon nachvollziehen. Ich kann verstehen, dass sie sich die Sinnfrage stellen und sich fragen: Wie geht das weiter mit uns, was ist jetzt wichtig für unsere Generation? Aber mein Auftrag ist es, den Schülern zu zeigen, dass es eben doch Sinn macht, in die Schule zu gehen.

Was sagen Sie ihnen?
Dass es trotz oder auch wegen der Klimadebatte wichtig ist, in der Schule an der Zukunft zu arbeiten. Dank der Schule können sie zum Beispiel Geologen oder Forscher werden, sich sozial engagieren. Vielleicht kommt die junge Generation davon ab, sich nur vom Gewinn steuern zu lassen, immer besser werden und immer mehr verdienen zu wollen, sondern sagt: Jetzt ist es wichtig, dass wir versuchen, unseren Planeten zu erhalten und zusammenzustehen.

Vorkämpferin Greta Thunberg hat viele Gegner. Wie stehen Sie zu ihr?
Ich finde Greta eine starke Persönlichkeit. Es ist wichtig, dass sie die Klimadebatte angestossen hat. Greta hat die Jungen dazu bewogen, sich Gedanken über ihre Zukunft und die des Planeten zu machen, und das ist ganz sicher nicht verwerflich. Im Gegenteil: Wir sollten ihr dankbar sein. Ich finde es super, wie sie es macht.

Wegen ihr streiken auch Schweizer Schüler jeden Freitag und fehlen in der Schule. Das unterstützen Sie?
Ich glaube, man muss unterscheiden, ob es ihnen wirklich ein Anliegen ist, immer wieder darauf hinzuweisen, dass das Klimathema noch lange nicht erledigt ist. Oder ob es nur darum geht, freizumachen. Es gibt sicher beides. Darum verstehe ich Schulen, die versuchen, Richt­linien einzuführen. Man kann die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel die verpassten Lektionen nachholen lassen. Aber ein Verbot wäre falsch. Das wäre ein ganz schlechtes Zeichen von den Schulen.

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