«Niedriger Sicherheitsstandard» und «Restrisiko für Ausbruch»
Wie leicht konnte Bois (†17) Mörder aus der Psychiatrie fliehen?

Der verurteilte Mörder Kris Van Oojen ist in der Nacht auf gestern aus der psychiatrischen Klinik Königsfelden in Windisch AG geflohen. Die Einrichtung ist auf einem «niedrigen und mittleren Sicherheitsstandard» ausgerichtet.
Publiziert: 29.05.2016 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 14:03 Uhr
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Mit diesem Bild fahndet die Polizei nach Kris Van Ooijen.
Foto: Kantonspolizei Aarau

Kris Van Oojen (22) brach gewaltsam aus der psychiatrischen Klinik Königsfelden. Er befand sich im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung in der Klinik. Die Kantonspolizei Aargau wurde in der Nacht auf gestern um 3.30 Uhr früh über die Flucht informiert und leitete sofort eine intensive Fahndung ein (BLICK berichtete).

Bisher ergaben die Ermittlungen jedoch keine Anhaltspunkte über den Verbleib des Flüchtigen.

Keine Hochsicherheitsabteilung

Die Klinik ist laut dem Konzept für stationäre forensische Psychiatrie der PDAG (Psychiatrischen Dienste Aargau), das auf der Webseite aufgeschaltet ist, auf einen niedrigen und mittleren Sicherheitsstandard ausgerichtet und verfügt über keine Hochsicherheitsabteilung.

Eine Flucht aus der Forensik sei ohne Gewaltanwendung und ohne Hilfe oder Hilfsmittel nur schwer möglich, teilten Psychiatrischen Dienste Aargau mit. In der gesicherten Abteilung gebe es zum Beispiel ein Doppelschleusen-System. Ohne Batches oder Schlüssel könne ein Patient nur mit Gewaltanwendung nach aussen gelangen. Die Fenster mit doppeltem Sicherheitsglas liessen sich in der ganzen Klinik nicht öffnen.

«Restrisiko für einen Ausbruch»

Aber: Die forensische Abteilung sei auch nicht als Hochsicherheitssystem konzipiert worden und die Stationen seien nicht vollständig ausbruchssicher. Deshalb bestehe «trotz gesicherter Infrastruktur ein Restrisiko für einen Ausbruch».

Ausserdem hätten die Patienten sogenannte Lockerungsstufen. Diese erlaubten ihnen je nach Therapieverlauf auch einen Aufenthalt ausserhalb des gesicherten Bereiches in Betreuung einer Fachperson, in der Gruppe oder im besten Fall sogar unbegleitet.

Inwiefern Kris Van Oojen untergebracht war, und wie er betreut wurde, ist nicht bekannt. Da es sich um eine laufende Ermittlung handle, sei es der Psychiatrischen Dienste Aargau in diesem Fall nicht möglich, näher Stellung zu nehmen, heisst es in der Medienmitteilung weiter.

Eigentlich hätte er freikommen sollen

Der flüchtige Kris Van Oojen hatte die 17-jährige Vietnamesin Boi Ngoc Nguyen 2009 mit einem Holzscheit erschlagen. Das Jugendgericht Baden verurteilte ihn 2013 zur Höchststrafe im Jugendrecht: Freiheitsentzug von vier Jahren und geschlossene Unterbringung. Seit einigen Wochen tobt nun ein juristisches Hin und Her um seinen Verbleib. Denn mit dem erreichen des 22. Altersjahres lief die Frist für die jugendstrafrechtlichen Massnahmen ab. Eigentlich hätte er freikommen müssen.

Dagegen legten die Behörden Beschwerde ein und steckten Van Oojen in eine psychiatrische Klinik – im Rahmen einer «fürsorgerischen Unterbringung». Der 22-jährige wehrte sich dagegen und ging bis vors Bundesgericht.

Das Bundesgericht gab Van Oojen Recht: Eigentlich müsste er in die Freiheit entlassen werden. Da er jedoch an einer psychischen Krankheit leide, würde eine sofortige Entlassung ohne Vorbereitung auf das tägliche Leben den jungen Mann überfordern. Das Bundesgericht zitierte aus einem Expertengericht, der von einem «deutlich ausgeprägten Rückfallrisiko» spricht. (sda/gru)

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