Beatmungsgeräte sind oft die letzte Hoffnung für Corona-Patienten. Fast jeder zehnte Infizierte ist auf eine Behandlung in der Intensivstation angewiesen. Das Coronavirus füllt bei einem schweren Verlauf die Lungen mit Schleim und erschwert das Atmen. Dann hängt ihr Leben von der künstlichen Beatmung ab.
Die Hamilton AG ist die einzige Schweizer Firma, die solche Geräte herstellt. Als Chef des Unternehmens im bündnerischen Bonaduz ist Andreas Wieland (65) ein begehrter Geschäftspartner. Alle möchten seine Produkte.
«Ich hatte noch nie so hohe Kontakte wie in den letzten Wochen», sagt Wieland. Doch auch von Regierungschefs lasse er sich nicht unter Druck setzen: «Wir priorisieren nach humanitären Gesichtspunkten und schauen, dass wir die Geräte dorthin liefern, wo die Not am grössten ist.»
Geräte für Italien
Das heisst: Viele Geräte werden derzeit nach Italien exportiert. Hamilton verspricht aber, auch die Spitäler hierzulande mit Beatmungsgeräten auszurüsten, wenn die Krise akuter wird. «Wir werden alle in der Schweiz benötigten Beatmungsgeräte liefern können», sagt Wieland. Er schätzt den Bestand in der Schweiz auf rund 1000 Geräte. Der Bund hat vorsorglich bereits 900 weitere bestellt. Ob dies tatsächlich ausreicht, kann niemand sagen. Es hängt von der Anzahl der Infizierten ab.
Der Hamilton-Chef zeigt sich zuversichtlich: Man habe die Produktion massiv gesteigert. Es werde nun rund um die Uhr im Schichtbetrieb produziert. «Im Moment können wir 80 Stück pro Tag fertigen.» Und man sei daran, die Produktion noch weiter zu erhöhen.
Auf den Intensivstationen könnte aber noch ein anders Problem drohen: die Versorgung mit komprimiertem Sauerstoff. Es zeichne sich ein Ansturm auf die Lieferanten ab, sagt Hans Michael Kellner (54), Chef des Gasunternehmens Messer in LenzburgAG und Präsident des Industriegaseverbands Schweiz. Der Verband ist ein Zusammenschluss der drei Schweizer Gasproduzenten. Sie sind für die gesamte Sauerstoffproduktion im Land verantwortlich.
Bereits eine Bestellung aus Italien
In Norditalien, wo sich die Corona-Krise an den Rand einer Katastrophe entwickelt hat, drohe bereits eine Knappheit, sagt Kellner. Es werde fast zehnmal mehr Sauerstoff benötigt als vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Messer, das von ihm geführte Unternehmen, habe bereits eine erste Bestellung von dort erhalten. «Wenn die Sauerstoffbranche zusammenbricht, nützt jedes Beatmungsgerät nichts», warnt Kellner.
Der rasant steigende Bedarf könnte auch in der Schweiz zum Problem werden. Vor allem, weil die Sauerstoffflaschen knapp werden. Mancherorts werden sie aus Angst vor Knappheit gehortet. Kellner: «Das ist gefährlich.» Die stählernen Flaschen werden normalerweise regelmässig ausgetauscht und damit laufend neuer Sauerstoff geliefert. Verschwinden sie aber in Lagern, können sie nicht neu befüllt werden. «Wenn ein Spital mehr Sauerstoff braucht und ein Pflegeheim 1000 Flaschen im Lager hat, hilft das dem Spital nicht», sagt Kellner.
Eine Lösung könnte die Lockerung von Vorschriften sein. Zurzeit dürfen nur speziell dafür vorgesehene Flaschen mit medizinischem Sauerstoff befüllt werden. «Aber auch andere Flaschen sind absolut geeignet», sagt Kellner. Sie hätten nur eine andere Farbe.
Problem sind Gasflaschen
Der Industriegaseverband hat sich deshalb am Freitag an Swissmedic gewandt, die Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte: Auch andere Flaschen sollen erlaubt sein. Die Personalbestimmungen müssten ebenfalls gelockert werden. Bisher ist es nur für die Firma zugelassenen Personen erlaubt, Sauerstoff abzufüllen. Die drei Produzenten fordern, einander in einer Krise mit Personal aushelfen zu dürfen. Hans Michael Kellner: «Nur so können wir jederzeit lieferfähig bleiben, auch wenn Mitarbeitende erkranken.»
Swissmedic, die das Gesuch prüft, schreibt dazu auf Anfrage: «Es muss alles getan werden, damit die dringend benötigte Sauerstoffversorgung auch bei einem raschen Anstieg der Patientenzahlen nicht gefährdet ist.»