Nachwuchs verzweifelt gesucht
Den FKK-Vereinen gehen die Nackten aus

Blütteln ist nicht mehr im Trend, das zeigen die Mitgliederzahlen bei den Vereinen, die hinter hohen Mauern Nacktschwimmbäder oder Campingplätze betreiben. Das Problem ist die gesellschaftliche Prüderie.
Publiziert: 08.09.2018 um 22:11 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:36 Uhr
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Vereinspräsident Daniel (l.) und Vorstandsmitglied André vom FKK-Verein Sonnenbad Rehwinkel suchen nach neuen Mitgliedern für ihre kleine Badi in Oberglatt ZH. Seit den 80er-Jahren verzeichnet der Verein einen drastischen Rückgang.
Foto: Céline Trachsel
Céline Trachsel

Hohe Mauern umgeben das Gelände. Ein 53-Jähriger steht in Badehose davor und stellt sich als Daniel vor – man duzt sich unter FKKlern. Drinnen in der kleinen Badi des Vereins Sonnenbad Rehwinkel in Oberglatt ZH liegt eine ältere Frau auf einem Liegestuhl, ein Rentner sonnt sich füdliblutt. 

«Unser Verein leidet an Überalterung», sagt Daniel. «Wenn sich Familien bei uns melden und Mitglied werden möchten, fragen sie, ob es auch kleine Kinder hat. Und wenn ich verneine, sind sie nicht mehr interessiert.» Schade, findet er. Denn: Die Anlage ist gepflegt – wenn auch etwas in die Jahre gekommen.

FKK ausser Mode

«FKK ist einfach nicht mehr in Mode», sagt André (53), der ebenfalls im Vorstand sitzt. «Ich weiss von Teenies, die bei FKK-Ferien im Süden die letzten zwei Tage noch das Bikini anziehen, damit sie einen Abdruck bekommen. Nur damit sie in der Schule nicht gehänselt werden.» Auch die Zahlen zeigen: Nur knapp 100 Mitglieder zählt der Verein noch – in den 80ern waren es noch weit über 200.

Auch in Auenstein AG versteckt sich der FKK-Campingplatz hinter Mauern. Drinnen im Heliosport-Gelände laufen die Gäste natürlich nackt herum: Egal, ob sie in der Beiz zusammensitzen, auf der Liegewiese sünnelen oder vorm Wohnwagen den Spätsommer geniessen. «Mit den Kleidern ziehe ich meinen Alltag ab», sagt Vereinssekretärin Caroline. 

Aber: Auch Heliosport sterben die Mitglieder weg. 2001 hatte der Verein noch 426 Mitglieder. 2017 nur noch 271.

Nackte Zahlen sprechen klare Sprache

Die nackten Zahlen zeigen auch schweizweit einen brutalen Mitgliederschwund. Während es im Jahr 2000 noch rund 7500 Schweizer gab, die in ihrer Freizeit auf den FKK-Vereinsgeländen blank zogen, sind es derzeit noch 6000, so Toni Möckel (55), Mediensprecher des Dachverbandes Schweizer Naturisten Union (SNU). Er weiss: «Junge Familien kommen nicht mehr nach.» Die Gründe glaubt er zu kennen: prüdere Gesellschaft, Abebben des Einflusses der 68er und dass Nacktheit heute leider nur noch mit Sexualität verbunden werde.

Wo Nacktsein erlaubt und erwünscht ist
  • Verein Sonnenbad Rehwinkel in Oberglatt ZH: Mit Schwimmbad, ohne Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Heliosport in Auenstein AG: Mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Natur und Sport (Naspo) in Uster ZH: Mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Sonnenbad Schönhalde (SBS) in Aeugst am Albis ZH: Mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Natürlich Sitzberg in Turbenthal ZH: Mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Naturistengelände «Die neue Zeit» in Gampelen BE: mit Seezugang, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Club Gymnique Lumière (CGL) in Genf: mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Camping Club Léman (CCL) in Lausanne VD: mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Schwimmbad Tiefenbrunnen ZH: Separés auf dem Dach der Garderobe, baden im See nur mit Textilien (öffentlich, mit Eintritt)
  • Werdinsel Zürich: Ausgeschilderter, gemischter FKK-Bereich (öffentlich, gratis)
  • Lorrainenbad Bern: Abgegrenzter, gemischter FKK-Bereich, baden im Fluss mit Textilien (öffentlich, gratis)
  • Marzili-Badi Bern: Abgegrenzter, gemischter FKK-Bereich mit Flusszugang (öffentlich, gratis)
  • Strandbad Katzensee, Zürich: Abgegrenzter, gemischter FKK-Bereich mit Seezugang (öffentlich, gratis) 
  • Maggiatal TI: An der Maggia und der Melezza wird FKK toleriert, auch wenn offiziell nicht erlaubt, mit Flusszugang (öffentlich, gratis)
  • Sonnenbad St.Margarethen, Binningen BL: Nackt sonnenbaden im Separé erlaubt, baden im Schwimmbecken mit Textilien (öffentlich, mit Eintritt)
  • Badeplatz Choller, Zug: In der westlichsten der drei Buchten ist FKK erlaubt. Mit Seezugang (öffentlich, gratis)

Diese Liste ist nicht abschliessend.

  • Verein Sonnenbad Rehwinkel in Oberglatt ZH: Mit Schwimmbad, ohne Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Heliosport in Auenstein AG: Mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Natur und Sport (Naspo) in Uster ZH: Mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Sonnenbad Schönhalde (SBS) in Aeugst am Albis ZH: Mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Natürlich Sitzberg in Turbenthal ZH: Mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Naturistengelände «Die neue Zeit» in Gampelen BE: mit Seezugang, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Verein Club Gymnique Lumière (CGL) in Genf: mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Camping Club Léman (CCL) in Lausanne VD: mit Schwimmbad, mit Camping (nur Mitglieder)
  • Schwimmbad Tiefenbrunnen ZH: Separés auf dem Dach der Garderobe, baden im See nur mit Textilien (öffentlich, mit Eintritt)
  • Werdinsel Zürich: Ausgeschilderter, gemischter FKK-Bereich (öffentlich, gratis)
  • Lorrainenbad Bern: Abgegrenzter, gemischter FKK-Bereich, baden im Fluss mit Textilien (öffentlich, gratis)
  • Marzili-Badi Bern: Abgegrenzter, gemischter FKK-Bereich mit Flusszugang (öffentlich, gratis)
  • Strandbad Katzensee, Zürich: Abgegrenzter, gemischter FKK-Bereich mit Seezugang (öffentlich, gratis) 
  • Maggiatal TI: An der Maggia und der Melezza wird FKK toleriert, auch wenn offiziell nicht erlaubt, mit Flusszugang (öffentlich, gratis)
  • Sonnenbad St.Margarethen, Binningen BL: Nackt sonnenbaden im Separé erlaubt, baden im Schwimmbecken mit Textilien (öffentlich, mit Eintritt)
  • Badeplatz Choller, Zug: In der westlichsten der drei Buchten ist FKK erlaubt. Mit Seezugang (öffentlich, gratis)

Diese Liste ist nicht abschliessend.

Das Internet-Reisebüro Sunclub-Reisen merkt ebenfalls, dass die FKK-Lust der Schweizer abnimmt. «Der Bereich FKK-Reisen geht jedes Jahr um 10 bis 15 Prozent zurück», so Leiter Daniel Heeb (60). «Die Schweizer Gesellschaft ist in den letzten 20 bis 30 Jahren immer prüder und konservativer geworden. Ein nackter Busen ist heutzutage schon fast wieder ein gleich grosser Skandal wie in den 1950er-Jahren.» Als er noch jung war, hätten viele Frauen «oben ohne gsünnelet» – in ganz normalen Badis. «Aber die Schamgrenze ist heute deutlich angestiegen.»

Das bringt kleine FKK-Vereine wie den Rehwinkel in Oberglatt in die Bredouille: Der Vereinspräsident rechnet vor, dass ab 50 Mitgliedern die kritische Grösse erreicht wäre, um die Badi noch betreiben zu können. Das Gelände gehöre zwar dem Verein, aber die laufenden Kosten für Strom, Gas und Pool müssten ja auch gedeckt werden. «Und irgendwann gehen einem dann auch die Freiwilligen aus, die den Rasen mähen oder die Büsche schneiden.»

Was ist Freikörperkultur?

Wir sollten uns nicht für den nackten Körper schämen. Das ist ein zentraler Gedanke der Freikörperkultur (FKK). Denn das Nacktsein ist ganz natürlich. Egal ob beim Baden, beim Sport oder beim Essen, die Nudisten verzichten dabei auf Kleidung. Wichtig: Es gibt keinen sexuellen Hintergrund. Der nackte Körper steht für viel mehr. Für Freiheit, für eine gesunde Körperwahrnehmung und ein starkes Selbstbewusstsein.

Die FKK-Idee entstand Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin. Die Anhänger plädierten für ein gesundes und naturverbundenes Miteinander. Nach und nach verbreitete sich der Nackt-Gedanke, bis die Nationalsozialisten versuchtenFKK zu verbieten – ohne Erfolg. Den Siegeszug der Freikörperkultur konnten sie nicht aufhalten. Auf der ganzen Welt entstanden FKK-Strände und Vereine, um den nötigen Raum für die Nudisten zu schaffen. Besonders beliebt war die FKK-Bewegung in der ehemaligen DDR.

Wir sollten uns nicht für den nackten Körper schämen. Das ist ein zentraler Gedanke der Freikörperkultur (FKK). Denn das Nacktsein ist ganz natürlich. Egal ob beim Baden, beim Sport oder beim Essen, die Nudisten verzichten dabei auf Kleidung. Wichtig: Es gibt keinen sexuellen Hintergrund. Der nackte Körper steht für viel mehr. Für Freiheit, für eine gesunde Körperwahrnehmung und ein starkes Selbstbewusstsein.

Die FKK-Idee entstand Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin. Die Anhänger plädierten für ein gesundes und naturverbundenes Miteinander. Nach und nach verbreitete sich der Nackt-Gedanke, bis die Nationalsozialisten versuchtenFKK zu verbieten – ohne Erfolg. Den Siegeszug der Freikörperkultur konnten sie nicht aufhalten. Auf der ganzen Welt entstanden FKK-Strände und Vereine, um den nötigen Raum für die Nudisten zu schaffen. Besonders beliebt war die FKK-Bewegung in der ehemaligen DDR.

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