Zu Besuch bei einer Quantenheilerin
Ist hier eine höhere Macht am Werk?

Treten Schweizer aus der Kirche aus, heisst das nicht, dass sie ungläubig sind: Ein Drittel der Konfessionslosen bezeichnet sich als spirituell. Davon profitieren Heiler und Hellseher.
Publiziert: 06.04.2018 um 21:15 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:15 Uhr
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Eine Heilung durch Spiritualität: Einige Schweizer glauben daran.
Foto: Anja Wurm
Dana Liechti

Das imposante Haus mit unzähligen Fenstern hinter einem schweren Gittertor wirkt wie aus der Zeit gefallen. Ein Raum im zweiten Stock: dunkelrotes, rustikales Sofa, Kerzen, Taschentücher, Deko-Herzen aus Holz, Eisen, Plastik, Quarz.

Isabelle Schumacher (50) sitzt schräg hinter ihrer Kundin und langjährigen Assistentin Jana Gafner*. Sanft legt Schumacher eine Hand auf deren Rücken, die andere lässt sie vor Gafners Bauch in der Luft schweben. Dann schliesst sie die Augen. Stille.

«Die meisten kommen nur ein, zweimal, dann zeichnet sich schon eine Lösung ab.»
Foto: Anja Wurm

Nun beginnt die grosse Frau mit dem dunkelbraunen Haar, Zeigefinger und Daumen aneinander zu reiben, während sie einen unsichtbaren Faden aus dem Kopf ihrer Kundin zu ziehen scheint. Gafners Füsse zucken, dann sackt sie leicht zusammen. «Ich sehe, dass das Energiefeld wieder harmonisch ist», sagt Schumacher leise. Gafner hat nun keine Schmerzen mehr. Sagt sie zumindest.

Probleme werden energetisch gelöst

Schumacher sieht sich als «Quantenheilerin» und Bewusstseinstrainerin. Sie geht von einem Energiefeld aus, in dem alle Lösungen unserer Probleme energetisch angelegt sind. «Ich verknüpfe mich mit diesem Feld und leite die Energie vom Problem weg.» Angebote wie ihres sind beliebt. Bis zu zehn Kunden hat sie an zwei Behandlungstagen in der Woche, je 30 bis 50 Interessierte nehmen an Seminaren teil, die sie alle zwei Wochen veranstaltet.

Der Basler Psychiater Jakob Bösch (76) – ausgerechnet ein Humanmediziner – ist Pionier der spirituellen Heilung. Schon Ende der Neunziger stellte er als Chefarzt der Externen Psychiatrischen Dienste Baselland eine hellfühlige Heilerin fest in der Klinik an. Er sah spirituelle Methoden nicht im Widerspruch zur Schulmedizin, sondern als Ergänzung. 

Frauen glauben eher an Spiritualität als Männer

Was damals auf Ablehnung stiess, wird heute eher akzeptiert. Nicht nur Kirchgänger glauben an eine höhere Macht: Laut Bundesamt für Statistik (BFS) schätzen sich auch 31 Prozent der Konfessionslosen als spirituell ein. Vor allem Frauen suchen in der Spiritualität Antwort, Halt und Heilung. Etwa 80 Prozent ihrer Kunden seien weiblich, sagt Schumacher. Zahlen des Bundesamtes für Statistik belegen: Frauen glauben demnach eher an Metaphysisches als Männer. Mehr als die Hälfte ist überzeugt, dass es Menschen gibt, die heilen oder hellsehen können, bei den Männern sind es immerhin 42 Prozent.

Beim Glauben an ein Leben nach dem Tod liegen die Werte ähnlich. Auch in schwierigen Lebensphasen spielt Spiritualität eine wichtigere Rolle für Frauen als für Männer: 64 Prozent (48 Prozent der Männer)empfinden sie dann als hilfreich.

Viele Kunden von Isabelle Schumacher sind in einer solchen Phase. «Die meisten kommen nur ein- zweimal, dann zeichnet sich schon eine Lösung ab», behauptet sie.

Dann muss sie weiter. An eine Abendveranstaltung zur Quantenheilung. Sie erwartet viele Gäste.

* Name von der Redaktion geändert

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