Weil sie zu viel twittert
IV halbiert Ex-Prostituierter und Aktivistin die Rente

Social Media kann Ihre IV gefährden. Das zeigt ein Fall aus dem Kanton Aargau: Brigitte Obrist (55) macht sich auf Twitter unter anderem für die Rechte von Prostituierten stark. Jetzt attestiert ihr ein Gutachten eine Verbesserung des Gesundheitszustandes.
Publiziert: 04.11.2017 um 22:10 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 05:20 Uhr
«Habe ich Schmerzen, beginne ich in die Tasten zu hauen»: Brigitte Obrist.
Foto: Facebook

Brigitte Obrist (55) aus Auenstein AG bezieht wegen sogenannten Cluster-Kopfweh-Attacken seit 17 Jahren eine IV-Rente. Jetzt wurde der ehemaligen Prostiutierten und Ex-Bordellbetreiberin ihr politisches Engagement zum Verhängnis.

Als frühere Projektleiterin bei der Aids-Hilfe macht sich Obrist auf Social Media für den Schutz und die Rechte von Prostituierten stark. Sie ist als Aktivistin in der ganzen Deutschschweiz bekannt. Vor zwei Jahren hat sie auch gegen ein Anti-Muslim-Inserat der SVP Strafanzeige eingereicht.

Jetzt bekam Obrist eine Vefügung der IV: Ihre Rente wird um die Hälfte auf 354 Franken pro Monat gekürzt. Dem Entscheid liegt ein neues Gutachten zugrunde, in dem von einer Verbesserung des Gesundheitszustandes ausgegangen wird. Obrist könne im Dienstleistungssektor eine leichte körperliche Tätigkeit ausüben.

Anonyme Hinweise

Wie die Nachrichtenseite «watson.ch» schreibt, verlangte Obrist Akteneinsicht. Dabei fand die IV-Rentnerin heraus, dass bei der IV-Stelle anonyme Meldungen über sie eingegangen sind. Unter anderem seien die Anzahl abgesetzter Tweets und Einträge auf Facebook akribisch aufgelistet worden. Wer so viel schreiben könne, der könne auch für sein Auskommen selber aufkommen, so der Tenor.

Es stimmt, dass Obrist oft am Computer sitzt und fleissig kommentiert und twittert: Sie hat bereits über 62'000 Tweets abgesetzt seit sie der Plattform 2011 beigetreten ist.

Für sie sei die Diskussion eine Ablenkung von den Kopfschmerzen. «Habe ich Schmerzen, beginne ich in die Tasten zu hauen», sagt Obrist. «Meine Aktivitäten auf den sozialen Medien, der Umstand, dass ich trotz körperlicher Krankheit noch denken und schreiben kann, wird mir als Ressource ausgelegt.» Obrist will gegen die Verfügung Beschwerde einreichen. (noo)

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