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Weil dessen junger Geschäftsleiter Kritik wagte
Grenchner Stadtwerke rächen sich am Turnverein

In Grenchen streichen die Stadtwerke einem Turnverein das Geld, weil in ihren Reihen mit Elias Meier (23) ein junger Kritiker sitzt. Stadtwerke-Chef Per Just (55) dazu: «Wir mussten ein Zeichen setzen!»
Publiziert: 03.03.2019 um 22:59 Uhr
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Aktualisiert: 04.03.2019 um 08:30 Uhr
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In Grenchen streichen die Stadtwerke einem Turnverein das Geld, weil in ihren Reihen mit Elias Meier (23) ein junger Kritiker ist.
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Flavio Paolo RazzinoNachrichtenchef

Das Recht auf freie Meinungsäusserung kann in Grenchen SO ins Geld gehen. Dort gehen die Stadtwerke (SWG) gegen Elias Meier (23) vor. Sein vermeintliches Vergehen: Er hat sich zu oft kritisch über die Stadtwerke geäussert. Meier organisiert mit seinem Verein Forum Grenchen Diskussionsrunden zu Grenchner Themen. Und er ist erklärter Windpark-Gegner – ein Projekt der Stadtwerke.

Meier kreidet den Stadtwerken fehlende Transparenz und Mitsprache an. Obwohl die Firma den Grenchnern gehöre. «Die SWG gibt sich wie ein privatrechtliches Unternehmen. Nur, dass die finanziellen Risiken am Ende der Steuerzahler trägt – und nicht private Eigentümer», sagt Meier.

So habe sich die SWG zuletzt einen 13 Millionen Frankern teuren Verwaltungspalast gegönnt. Meier dazu: «Hätte die Stadt ein solches Vorhaben gehabt, hätten die Bürger darüber an der Urne abstimmen müssen.»

Nicht so bei den Stadtwerken. Die Bekanntmachung der Kosten für den Prunkbau konnte Meier gar erst mithilfe des Kantonalen Öffentlichkeits- und Datenschutzbeauftragten erzwingen.

Umstrittener Kauf einer Baufirma

Besonders umstritten ist auch, dass die Stadtwerke 2013 das private Bauunternehmen Panaiia & Crausaz gekauft haben. 60 Prozent aller Aufträge vergebe sich der staatliche Koloss seither selber – zum Schaden konkurrierender Bauunternehmen, so Meier. Ein Umstand, den auch der Solothurner Baumeisterverband seit längerem kritisiert.

Die Reaktion der SWG auf Meiers Kritik ist happig: Stadtwerke-Chef Per Just (55) streicht dem Grenchner Turnverein die Gelder. Denn: Meier ist im Turnverein (350 Mitglieder) einer von vier Geschäftsleitern. «Die SWG will meine Turnfreunde gegen mich aufbringen und mich zwingen, mein Amt niederzulegen. Alles nur, weil ich mich getraut habe, die Stadtwerke öffentlich zu kritisieren», sagt Meier zu BLICK.

Sogar Strafanzeige gegen Kritiker

Vor wenigen Tagen erreichte Meier auch noch eine Strafanzeige von Stadtwerke-Chef Just. Hintergrund: Meier soll Verleumdung und üble Nachrichten gegen die SWG und deren Mitarbeiter betreiben. Dabei räumt Just ein, dass die Sponsoring-Streichung keinen Zusammenhang mit dem Turnverein hat. Dennoch: «Ich musste ein Zeichen setzen!» Darum halt auch die Strafanzeige.

Der Stadtwerke-Chef nimmt Meier vor allem übel, dass dieser ihm in einem Leserbrief vorgeworfen hat, seine Kompetenzen als Direktor der Stadtwerke zu überschreiten und die Strategie der SWG selber festzulegen. Obwohl das eigentlich der Verwaltungsrat machen müsste.

Merkwürdige Doppelrolle des Stadtwerke-Chefs

SWG-Gegner Meier rechtfertigt den Vorwurf mit Justs merkwürdiger Doppelrolle in der Firma. So sei er Geschäftsführer der Stadtwerke, aber gleichzeitig auch Verwaltungsratspräsident der firmeneigenen Baufirma: «Das Gegenteil von moderner Corporate Governance!» Kontrollmöglichkeiten seien so komplett ausgehebelt.

Die Streichung der Sponsoringgelder an den Turnverein kommt in Grenchen gar nicht gut an, wie auch die Leserbriefe in den Lokalzeitungen zeigen. Sogar Stadtpräsident François Scheidegger (57) kommt unter Druck – er ist gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der SWG.

Stadtpräsident sitzt zwischen den Stühlen

Dem BLICK sagt er zum Dilemma: «Ich habe Per Just vor der Streichung des Sponsorings abgeraten, aber es ist eine operative Entscheidung, und er hat die Verantwortung dafür übernommen.» Er selber sei aber nie von Meier auf ehrverletzende Weise angegriffen worden, überhaupt: «Ich persönlich habe absolut keine Probleme mit ihm.» Trotzdem mag Stadtpräsident Scheidegger keinen Druck auf den SWG-Chef ausüben. Seine Meinung: «Just hat das so entschieden und das müssen wir akzeptieren.»

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