Knapp 8000 Einwohner, 44 Prozent ohne Schweizer Pass. 5,2 Prozent beziehen Sozialhilfe. Das ist der zweithöchste Wert im Kanton Aargau – ebenso wie die Steuerbelastung, die nur in drei Orten höher ist.
Willkommen in Aarburg, einer Kleinstadt zwischen Zofingen AG und Olten SO. Jeder, der mit dem Zug oder mit dem Auto – auf der A1 – zwischen Bern und Zürich unterwegs ist, kennt den markanten Anblick von Festung und Stadtkirche.
Die Gemeinde ächzt unter ihren Sozialausgaben: 5,7 Millionen Franken gab Aarburg 2016 für 400 Personen aus, die auf öffentliche Unterstützung angewiesen sind – ein Drittel der Steuereinnahmen von 17 Millionen.
Hinter den nackten Zahlen stehen Menschen, die oft jahrelang von der Sozialhilfe abhängig sind. Dabei kommen hohe Beträge zusammen. Die für Aarburg verantwortliche Sozialvorsteherin Martina Bircher (33, SVP) hat ausrechnen lassen, welche Summen in den letzten Jahren von ausländischen Sozialhilfeempfängern empfangen wurden. Die Zahlen liegen SonntagsBlick in anonymisierter Form vor.
Einzelpersonen oder Familien in 38 sogenannten Dossiers haben bis heute 80'000 Franken und mehr bezogen. Spitzenreiter ist ein vierköpfiger irakischer Haushalt, der seit 2004 rund 580'000 Franken kassiert hat (siehe Tabelle). In der Auswertung finden sich viele Eritreer – also Flüchtlinge, aber auch Menschen aus Italien, Portugal, Serbien, Kosovo oder Deutschland – alle mit Aufenthaltsstatus C (Niederlassungsbewilligung) oder B (Aufenthaltsbewilligung).Die Untersuchung ihrer Mitarbeiter hat Bircher alarmiert: Laut Ausländergesetz führt ein hoher, anhaltender Sozialhilfebezug dazu, dass ein Kanton – in diesem Fall das Aargauer Amt für Migration (MIKA) – den C- oder B-Status entziehen kann. Laut bundesgerichtlichen Kriterien müssten Personen ab 80'000 Franken (C) beziehungsweise 50'000 Franken Bezug (B) eigentlich konsequent überprüft werden.
2016 wurden Sozialhilfebezügern in Aarburg aber keine Aufenthaltsbewilligungen entzogen. Im ganzen Kanton waren es zwei Personen.
SVP-Grossrätin will Taten sehen
Grossrätin Bircher will jetzt Klarheit von der Aargauer Regierung; sie wird eine Interpellation einreichen. «30 Prozent der ausländischen Sozialhilfebezüger, die in Aarburg wohnen, erfüllten eigentlich die Bedingungen, dass ihnen ihre Aufenthaltsberechtigung entzogen wird. Passieren tut aber nichts», sagt Bircher, die als Projektleiterin Finanzen bei der Post in Bern tätig ist, an die Adresse des MIKA-Vorstehers, Regierungsrat Urs Hofmann (61, SP).
Die Grossrätin geht noch einen Schritt weiter: Viele Flüchtlinge hätten in ihrer Gemeinde eine C-Niederlassungsbewilligung bekommen, obwohl sie niemals wirtschaftlich selbständig waren. «Für mich ein klarer Gesetzesverstoss», so Bircher.
Auch der Gemeinderätin ist klar, dass viele Flüchtlinge nicht einfach in ihre Heimat zurückkehren können. «Viele Personen kommen aber aus Kosovo, Serbien, Türkei oder gar Italien und Deutschland», erklärt Bircher. Es sei unverständlich, dass diese Menschen immer noch in der Schweiz sind, obwohl sie teilweise schon länger als zehn Jahre vom Staat leben.
Die Exekutivpolitikerin betont: «Ich kritisiere nicht die Leute, die Sozialhilfe bekommen. Sie nutzen nur die Möglichkeiten aus, die ihnen die Schweiz bietet.» Es gehe aber nicht an, dass bei Ausländern die vorhandenen Gesetze nicht angewendet würden. Das sei fatal.
«Es geht um die Existenz unserer Gemeinde»
Nach Auffassung der Finanzexpertin, die bald Mutter wird, geht es um die langfristige Existenz ihrer Gemeinde. «Schon heute wären wir zahlungsunfähig, wenn wir nicht massiv vom Aargauer Finanzausgleich profitieren würden.»
Die Anzahl der Sozialhilfefälle und die Kosten für Aarburg brächten die Gemeinde in zunehmend grössere Schwierigkeiten. Aarburg sei kein Einzelfall, schlussendlich gehe es auch um die langfristige Überlebensfähgigkeit der Schweizer Sozialwerke. Was dabei nicht vergessen werden darf. Auch Schweizer sind auf Sozialhilfe angewiesen. 38 Prozent der Empfänger im Kanton Aargau haben einen roten Pass.
Auf Anfrage betont Landesstatthalter Urs Hofmann, «die generelle Feststellung» treffe nicht zu, dass das Migrationsamt keine Überprüfungen durchführe. Die Regierung nehme aber bei hängigen Vorstössen nicht zu den darin aufgeworfenen Fragen Stellung.