Der 42-jährige Türke B. K.** sitzt am Steuer des roten Renault Kadjar, als der Verkehr auf der A3 bei Effingen AG am Mittwoch zu stocken beginnt. Die Überholspur ist wegen einer Tagesbaustelle gesperrt.
Mit ihm im Auto sitzt das ebenfalls türkischstämmige Ehepaar N. E.** (†55) und M. E.** (†64). Die drei Baselbieter fahren direkt hinter einem Sattelschlepper. Um 9 Uhr rast von hinten ein Porsche Cayenne heran.
Dessen Fahrer, Darko G.* (45), sieht die Baustelle zu spät und knallt mit voller Wucht ins Heck des Renaults. Der 42-Jährige und seine Begleiter haben keine Chance. Das Auto wird regelrecht zerquetscht. Die drei Personen sterben noch auf der Unfallstelle. Erst Stunden später können sie aus dem Auto geborgen werden (BLICK berichtete).
«Es war ein grosser Schock»
Das alevitische Kulturzentrum Regio Basel trauert um die Verstorbenen auf Facebook. «Wir teilen den Schmerz der Familie und wünschen ihr viel Geduld. Mögen sie stets von Licht umgeben sein», steht im Post (siehe unten: «Was sind Aleviten»)
Der Sprecher der Gemeinschaft, Hasan Kanber, sagt zu BLICK: «Wir haben gestern Abend davon erfahren und es war ein grosser Schock für uns. Ich konnte auch die Nacht nicht schlafen.» Aus beruflichen Gründen sei er am heutigen Donnerstag dieselbe Strecke gefahren, wo der Unfall passierte. «Es war ein sehr mulmiges Gefühl.»
«B. K. war ein passionierter Fussballer»
Familie E. sei jeden zweiten Tag im Verein gewesen. «Es war ihr Lebensinhalt. Sie waren sehr engagierte Leute», sagt Kanber. Auch den 42-jährigen B.K. behält Kanber in guter Erinnerung. «Er war eine sehr offene und kommunikative Person.»
K.s Vater war ein jahrelanger Geistlicher im Verein und habe ihn gar mitgegründet. Sein Sohn sei früher ein passionierter Fussballer gewesen. «Er spielte in unserer Vereinsmannschaft.»
Der Verein bete nun gemeinsam mit der Familie und den Mitgliedern. «Wir kümmern uns um die seelische Betreuung der Angehörigen.»
Als BLICK den Verein am Donnerstag besucht, sind bereits rund 100 Leute vor Ort. Viele stehen draussen, weil das Lokal bereits voll ist. Die Angehörige beider Familien sind vor Ort. Viele Leute weinen. Trauernde fallen den Verwandten um den Hals, trösten sie, sprechen ihr Beileid aus.
«Seit gestern Abend ist hier ein endloser Strom von Menschen, die um die Opfer trauern. Die Solidaritätswelle ist riesig. Und es kommen nicht nur Aleviten, sondern auch Schweizer oder Albaner», sagt Vereinsmitglied, Mahir Kabakci, zu BLICK. Diese Unterstützung helfe den Familien sehr, den Verlust zu verarbeiten. «Sie haben das Geschehen noch nicht realisiert. Der Schock sitzt nach wie vor tief und ihre Trauer ist riesig», sagt Kabakci.
Opfer sollen in der Türkei bestattet werden
Derzeit werde geprüft, ob die Leichname der Verstorbenen in die Türkei überführt werden können. «Sie würden alle drei in ihrem Heimatorten in Tunceli und Erzincan beerdigt werden», sagt Sprecher der Gemeinschaft, Hasan Kanber.
«Es war Mord!»
Die Anteilnahme auf Facebook ist gross. «Möge Gott gnädig sein. Mein Beileid an die Familie und alle Verwandten», steht in den Kommentaren. «Ich werde dich nie vergessen, mein lieber Freund», schreibt ein anderer. «Es ist sehr schmerzhaft! Ruhet in Frieden», heisst es weiter.
Auch Wut macht sich unter den Trauernden breit. «Es war kein Unfall, es war ein Mord! Sie haben den Vater eines jüngeren Kindes weggenommen. Sie wird ihren Vater nie umarmen, sie wird ihren Vater nie küssen», schreibt ein Mann.
Am Steuer des Unglücksporsches sass der Montenegriner Darko G.* (45) aus Staufen AG. Er zog sich beim Unfall nur Schürfwunden zu. Unmittelbar nach der Kollision entfernte er sich von der Unfallstelle, versuchte offenbar im Schock, zu Fuss zu flüchten. Die Polizei kann Darko G. festnehmen, liess ihn im Spital untersuchen und wies ihn im Anschluss in eine psychiatrische Klinik ein.
Porsche-Fahrer konnte noch nicht befragt werden
Eine Verwandte des Mannes sagte am Mittwoch zu BLICK: «Ich kann mir nicht erklären, wie er einen solchen Unfall bauen konnte. Er und seine Frau haben sich vor wenigen Wochen getrennt. Er ist seither durch den Wind, steht psychisch unter Druck.»
Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Porsche-Fahrer eine Strafuntersuchung wegen mehrfacher vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung eröffnet. «Welcher Tatbestand erfüllt ist, wird sich erst bei Abschluss der Untersuchung zeigen», sagt Sprecherin Fiona Strebel zu BLICK.
Darko G. konnte bisher noch nicht befragt werden. Er sei noch nicht «vernehmungsfähig», so Strebel.
* Namen geändert
** Namen bekannt
Aleviten fallen in unserer modernen Gesellschaft nicht auf, weil sie sehr anpassungsfähig sind. Sie tragen keine spezielle Kleidung oder Kopfbedeckung, die auf ihre Kultur oder Religion hinweist.
Aleviten bekennen sich zu Humanität und Demokratie, deshalb kommt ihnen unsere Staatsform entgegen. Scharia, das islamische Gesetz, lehnen Aleviten ab. Das ist der wichtigste Unterschied zu den Sunniten. Aleviten kennen keine Pflichtgebete. Aleviten brauchen zum Beten keinen besonderen Raum und keine spezielle Zeit.
Mann und Frau sind gleichberechtigt. Zu anderen Religionen, Glaubensbekenntnissen und Ideologien haben Alevitinnen und Aleviten ein sehr offenes Verhältnis. Auf eine undogmatische Weise fühlen sie sich der Humanität verpflichtet. Die Menschenrechte im ganzen sowie die Meinungs- und Religionsfreiheit im speziellen werden von ihnen ausdrücklich bejaht. Jedem Menschen wird ausdrücklich das Recht auf einen eigenen Glauben zugestanden.
Über die Anzahl der Alevitinnen und Aleviten gibt es nur Schätzungen. In ihrer Heimat, der Türkei, werden sie nicht als eigenständige Religionsgemeinschaft anerkannt, sondern den Sunniten zugeschlagen, deshalb sind keine offiziellen Zahlen erhältlich. Aleviten nehmen an, dass etwa zwanzig Millionen zu ihrer Gemeinschaft gehören.
Quelle: https://www.inforel.ch
Aleviten fallen in unserer modernen Gesellschaft nicht auf, weil sie sehr anpassungsfähig sind. Sie tragen keine spezielle Kleidung oder Kopfbedeckung, die auf ihre Kultur oder Religion hinweist.
Aleviten bekennen sich zu Humanität und Demokratie, deshalb kommt ihnen unsere Staatsform entgegen. Scharia, das islamische Gesetz, lehnen Aleviten ab. Das ist der wichtigste Unterschied zu den Sunniten. Aleviten kennen keine Pflichtgebete. Aleviten brauchen zum Beten keinen besonderen Raum und keine spezielle Zeit.
Mann und Frau sind gleichberechtigt. Zu anderen Religionen, Glaubensbekenntnissen und Ideologien haben Alevitinnen und Aleviten ein sehr offenes Verhältnis. Auf eine undogmatische Weise fühlen sie sich der Humanität verpflichtet. Die Menschenrechte im ganzen sowie die Meinungs- und Religionsfreiheit im speziellen werden von ihnen ausdrücklich bejaht. Jedem Menschen wird ausdrücklich das Recht auf einen eigenen Glauben zugestanden.
Über die Anzahl der Alevitinnen und Aleviten gibt es nur Schätzungen. In ihrer Heimat, der Türkei, werden sie nicht als eigenständige Religionsgemeinschaft anerkannt, sondern den Sunniten zugeschlagen, deshalb sind keine offiziellen Zahlen erhältlich. Aleviten nehmen an, dass etwa zwanzig Millionen zu ihrer Gemeinschaft gehören.
Quelle: https://www.inforel.ch