Wie verteidigt man einen skrupellosen Kinderschänder und vierfachen Mörder? Anwältin Renate Senn aus Baden AG versuchte es am Mittwoch beim Prozess gegen Thomas N.* (34) mit der Verharmlosung der Tat. Für die Angehörigen im Gerichtssaal ein Affront. Denn: Die Killer-Anwältin gibt den Opfern eine Mitschuld an ihrem Tod.
N. sei es nämlich nie darum gegangen zu morden. «Sein Ziel bestand schlicht und einfach darin, ein Sexualdelikt an Davin zu begehen.» Der Missbrauch am jüngsten Kind (†13) der Familie Schauer sei zwar nicht zu entschuldigen. Er habe aber «lediglich 20 Minuten gedauert und ist nicht von übermässiger Gewalt beherrscht gewesen».
«Was hätte ich da sagen sollen?»
Erst als sich sein Bruder Dion Schauer (†19) unerwartet von seinen Fesseln habe befreien können und plötzlich vor N. stand, sei es zu den Morden gekommen. Senn zitiert Thomas N: «Was hätte ich da sagen sollen? ‹Wart schnäll, ich hole die Fesseln?›» Er habe nicht anders gekonnt als zu töten. Vorher habe er aber kein konkretes Tötungsvorhaben gehabt.
Fassungslosigkeit bei den Angehörigen im Gerichtssaal, während Senn ausführt: N. habe seinen Opfern nicht mehr Schmerzen zugefügt, als es für die Tötung nötig war.
«Auch war er überrascht, dass ihm die Opfer derart in die Karten gespielt haben.» Ein Hohn! So habe N. es darauf angelegt gehabt, von der Polizei geschnappt zu werden. Aber Carla Schauer (†48) zum Beispiel habe sich nichts anmerken lassen, als plötzlich die Nachbarin im Haus stand, um den Hund abzuholen. «Sie hätte bloss etwas sagen oder eine Handbewegung machen müssen, hat sich N. gedacht», so Senn. Er habe nicht damit rechnen können, dass Carla Schauer so kooperativ sei.
«Medialer Pranger» sei eine «soziale Zusatzstrafe»
Als wäre das nicht genug, macht die Verteidigerin den Vierfach-Killer zum Schluss auch noch zum Opfer. So beklagte sie sich über die «mediale Hetzjagd», die gegen N. geführt worden sei – ausgelöst durch die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft nach der Verhaftung. Das sei eines Rechtsstaates nicht würdig gewesen.
Der «mediale Pranger» sei eine «soziale Zusatzstrafe» für N. Als Konsequenz fordert sie darum eine Strafminderung. Eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren und eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme seien genug der Strafe für den Vierfach-Mord.
Skrupelloses Verhalten werde schöngeredet
Opferanwalt Luc Humbel reagiert in seiner Replik empört: «Man kann auch auf 58 Seiten aus einem Vierfachmörder kein Opfer machen!» Die Verteidigung versuche, das planmässige und skrupellose Verhalten des Beschuldigten schönzureden. «Stattdessen wird faktisch die Verantwortung auf die Opfer übertragen», so Humbel.
*Namen der Red. bekannt
Alle aktuellen Informationen zum Prozess des Vierfachmordes gibt es im Liveticker.
Kommentar von Gerichtsreporter Viktor Dammann
Während des Plädoyers von Täter-Anwältin Renate Senn wähnte ich mich im falschen Film. Einen Rechtsstaat zeichnet aus, dass auch der schlimmste Rechtsbrecher angemessen und engagiert vertreten wird. Wer sich keinen Anwalt leisten kann, bekommt ihn auf Kosten der Allgemeinheit gestellt. Die Badener Rechtsanwältin Renate Senn überdrehte ihre Verteidigung mehrfach. Und sie beging eine anwaltliche Todsünde: Senn schob den Opfern eine Mitschuld zu, verhöhnte sie geradezu.
Ihre Aussagen waren haarsträubend: Mutter Carla Schauer habe sich gegenüber der Nachbarin, die ihren Hund abholte, nichts anmerken lassen. Dabei hätte sie bloss eine Handbewegung oder eine Bemerkung machen müssen, behauptete Senn. Der Täter habe es darauf angelegt gehabt, von der Polizei geschnappt zu werden, führte sie aus. Thomas N. sei selbst überrascht gewesen, dass «ihm die Opfer derart in die Karten spielten».
Die Tötungen seien passiert, weil der ältere Sohn sich von den Fesseln habe befreien können und plötzlich vor Thomas N. gestanden sei. Das tönte gerade so, als sei dem Killer nichts anderes übrig geblieben, als die Familie abzuschlachten. Eine ungeheuerliche Behauptung. Den widerlichen Missbrauch des 13-Jährigen spielte die Pflichtverteidigerin herunter. Dieser habe lediglich 20 Minuten gedauert.
Als Schlussakkord führte Senn die Vorverurteilung des Vierfachmörders in den Medien ins Feld. Dies rufe geradezu nach einer Strafminderung – mir fehlen die Worte.
Kommentar von Gerichtsreporter Viktor Dammann
Während des Plädoyers von Täter-Anwältin Renate Senn wähnte ich mich im falschen Film. Einen Rechtsstaat zeichnet aus, dass auch der schlimmste Rechtsbrecher angemessen und engagiert vertreten wird. Wer sich keinen Anwalt leisten kann, bekommt ihn auf Kosten der Allgemeinheit gestellt. Die Badener Rechtsanwältin Renate Senn überdrehte ihre Verteidigung mehrfach. Und sie beging eine anwaltliche Todsünde: Senn schob den Opfern eine Mitschuld zu, verhöhnte sie geradezu.
Ihre Aussagen waren haarsträubend: Mutter Carla Schauer habe sich gegenüber der Nachbarin, die ihren Hund abholte, nichts anmerken lassen. Dabei hätte sie bloss eine Handbewegung oder eine Bemerkung machen müssen, behauptete Senn. Der Täter habe es darauf angelegt gehabt, von der Polizei geschnappt zu werden, führte sie aus. Thomas N. sei selbst überrascht gewesen, dass «ihm die Opfer derart in die Karten spielten».
Die Tötungen seien passiert, weil der ältere Sohn sich von den Fesseln habe befreien können und plötzlich vor Thomas N. gestanden sei. Das tönte gerade so, als sei dem Killer nichts anderes übrig geblieben, als die Familie abzuschlachten. Eine ungeheuerliche Behauptung. Den widerlichen Missbrauch des 13-Jährigen spielte die Pflichtverteidigerin herunter. Dieser habe lediglich 20 Minuten gedauert.
Als Schlussakkord führte Senn die Vorverurteilung des Vierfachmörders in den Medien ins Feld. Dies rufe geradezu nach einer Strafminderung – mir fehlen die Worte.
- 21. Dezember 2015: Der Vierfachmord von Rupperswil AG erschüttert die Schweiz.
- 24. Dezember 2015: Die Polizei fahndet nach dem Vierfachmörder – unter anderem mit Flugblättern.
- Januar 2016: Für die vier Opfer finden die Trauerfeiern statt.
- 18. Februar 2016: Die Behörden setzen an einer Medienkonferenz eine Belohnung von 100'000 Franken für den entscheidenden Hinweis aus.
- April 2016: Der Fall wird als Beitrag für ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY...ungelöst» geplant.
- 12. Mai 2016: Thomas N.* wird im Starbucks in Aarau verhaftet.
- 13. Mai 2016: Die Behörden informieren mit einer Pressekonferenz über die Verhaftung.
- 16. Mai 2016: Es wird bekannt, dass Renate Senn die Pflichtverteidigerin von Thomas N. wird.
- Später: Thomas N. sitzt in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg AG in Haft und wird für mehrere 10'000 Franken pro Monat rund um die Uhr überwacht – wegen Suizidgefahr!
- Februar 2017: Thomas N. wird versetzt. Er kommt in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies nach Regensdorf ZH.
- 11. Mai 2017: Die Gutachten der beiden unabhängigen Gutachter liegen vor. Diese braucht es, damit das Gericht eine allfällige lebenslange Verwahrung anordnen könnte.
- 7. September 2017: Die Aargauer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Vierfach-Killer.
- 13. März 2018: Der Prozess gegen Thomas N. beginnt. Er ist für vier Tage anberaumt.
- 16. März 2018: Das Urteil gegen Thomas N. soll verkündet werden.
*Name der Redaktion bekannt
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- 24. Dezember 2015: Die Polizei fahndet nach dem Vierfachmörder – unter anderem mit Flugblättern.
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- 18. Februar 2016: Die Behörden setzen an einer Medienkonferenz eine Belohnung von 100'000 Franken für den entscheidenden Hinweis aus.
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- 12. Mai 2016: Thomas N.* wird im Starbucks in Aarau verhaftet.
- 13. Mai 2016: Die Behörden informieren mit einer Pressekonferenz über die Verhaftung.
- 16. Mai 2016: Es wird bekannt, dass Renate Senn die Pflichtverteidigerin von Thomas N. wird.
- Später: Thomas N. sitzt in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg AG in Haft und wird für mehrere 10'000 Franken pro Monat rund um die Uhr überwacht – wegen Suizidgefahr!
- Februar 2017: Thomas N. wird versetzt. Er kommt in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies nach Regensdorf ZH.
- 11. Mai 2017: Die Gutachten der beiden unabhängigen Gutachter liegen vor. Diese braucht es, damit das Gericht eine allfällige lebenslange Verwahrung anordnen könnte.
- 7. September 2017: Die Aargauer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Vierfach-Killer.
- 13. März 2018: Der Prozess gegen Thomas N. beginnt. Er ist für vier Tage anberaumt.
- 16. März 2018: Das Urteil gegen Thomas N. soll verkündet werden.
*Name der Redaktion bekannt